Kommentar Doping-Whistleblower: Auch der Westen tut sich schwer

Andrej Dmitrijew floh aus Russland. Doch nicht nur dort, auch in den USA und Europa haben es Whistleblower nicht leicht.

Auf einem violetten Schild steht „Doping Control“ (auch in russischer Schrift)

In Russland gibt es Dopingkontrollen (hier in Sotschi 2014), aber wer das Dopingsystem kritisiert, hat es nicht leicht Foto: dpa

Andrej Dmitrijew war Leichtathlet. Jetzt ist er ein Whistleblower. Das ist ungleich anstrengender und zermürbender, als Runden im Stadion zu rennen. Dmitrijew ist jetzt aus Russland geflohen, wo er Informationen über das staatliche Dopingsystem durchgestochen hatte. In seiner Heimat fühlte er sich nicht mehr sicher. Er rannte gegen etwas an, das stärker war als er. Im Westen angekommen, sagte er, Russland sei „nicht bereit für eine Whistleblower-Kultur“.

Logisch, Russland ist ein autoritäres Land. Je repressiver ein Staat geführt wird, desto weniger werden die Mächtigen im Whistleblower jenen von hohen moralischen Ansprüchen Getriebenen erkennen. Sie sehen in ihm nur einen Verräter von Geheimnissen, einen Staatsfeind, ein Subjekt, das nach jenem furchtbaren Algorithmus der Sicherheitsdienste zersetzt oder am besten gleich ins Gefängnis geworfen werden muss.

Autokratien hassen Whistleblower, aber auch Demokratien tun sich verdammt schwer mit diesen Menschen, die haarsträubende Missstände erkennen und nicht länger schweigen wollen. Es ist leider so, dass auch der Westen nicht bereit ist für eine Whistleblower-Kultur, wofür ein weiterer Blick nach Russland genügt. Ausgerechnet dort hat ja der bekannteste Whistle­blower dieser Tage, Edward Snowden, sein Exil.

Die USA haben in der vergangenen Dekade jene Klarsichtigen, die am Korpus der Demokratie die klaffenden Wunden ausmachen, mit gnadenloser Härte verfolgt, ob sie nun Thomas Drake oder Chelsea Manning hießen. Auch Europa ist nicht bereit für eine Whistleblower-Kultur, was sich daran zeigt, wie Raphaël Halet und Antoine Deltour behandelt wurden, kleine Angestellte, die über Steuerschlupflöcher berichteten. Lebendige und lernfähige Demokratien sollten aber in Whistle­blowern keine Feinde sehen, sondern besonders engagierte Bürger, die etwas zum Besseren wenden wollen. Es sind im besten Sinne Gutmenschen. So wie Andrej Dmitrijew.

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