Kommentar EU-Vorstoß Investorenschutz: Keine Extrawürste für Konzerne

TTIP ist ein undemokratisches Abkommen und die Schiedsgerichte sind völlig überflüssig. Die staatlichen Rechtssysteme reichen aus.

Ein Grafitti gegen TTIP

TTIP-Gegner verewigen ihren Protest an einer Brüsseler Wand Foto: reuters

In einem hat Cecilia Malmström recht: Selbst wenn sie Gratis-Eiscreme anbieten würde, würden sich die TTIP-Kritiker bei ihr beschweren. So sagte sie es. Es stimmt – und ist natürlich ungerecht.

Niemand traut der EU-Handelskommissarin nämlich mehr, wenn es um TTIP geht, das EU-Freihandelsabkommen mit den USA. Das hat mit den im Geheimen tagenden TTIP-Unterhändlern und dem hohen Gut von zum Beispiel gentechnikfreien Lebensmitteln zu tun – und vielen anderen europäischen Errungenschaften. Das hat auch mit der brachialen Wucht zu tun, mit der Malmströms Vorgänger Karel de Gucht das Abkommen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchpeitschen wollte.

Doch TTIP hat einen grundsätzlichen Fehler, der sich auch an den so umstrittenen Schiedsgerichten für Investoren zeigt. Es ist ein undemokratisches Abkommen, das vielleicht ins vordemokratische 19. Jahrhundert passte, als der Freihandel peu à peu entstand. Nicht aber mehr ins Heute, in eine Gesellschaft, die Beteiligung einfordert und binnen kurzem hunderttausende Unterschriften gegen TTIP organisiert. Immerhin geht die Kommissarin mit ihrem Vorschlag auf einen zentralen Kritikpunkt ein.

Wenn Vattenfall Deutschland auf gut vier Milliarden Euro Strafzahlungen verklagt, weil die Bundesregierung nach Fukushima die Meiler des Energiekonzerns runterfahren lässt, soll dies künftig wenigstens nicht mehr im voröffentlichen Raum und von möglicherweise parteiischen Winkeladvokaten verhandelt werden – sondern vor einem eigenen, öffentlich tagenden Handelsgericht mit unbeteiligten Schiedsleuten.

Eine Verdunklungsmaßnahme

Und doch bleibt der Vorschlag eine Verdunklungsmaßnahme, um die aufgebrachte Öffentlichkeit ruhig zu stellen. Das Kernproblem geht Malmström nicht an: Die Staaten der EU und die USA sind keine Bananenrepubliken – ihre Rechtssysteme sind zum Teil seit Jahrhunderten gewachsen. Deshalb bedarf es keiner Extrawürste für Konzerne, ihre Investitionen sind jen- und diesseits des Atlantik sicher vor Regierungswillkür.

Wenn sie sich durch Politentscheidungen aus einem anderen Land benachteiligt sehen, sollte es deshalb überhaupt keine Möglichkeit geben, es vor den Kadi zu zerren. Warum nicht auch ein eigenes Gericht, vor dem sich die Konzerne gegen Vorwürfe von Greenpeace oder anderen Nichtregierungsorganisationen verteidigen müssen? Viel Spaß, Shell und Gazprom und Monsanto!

Ein fettes Problem ist auch Ceta: Im bereits fertig verhandelten EU-Abkommen mit Kanada sind die Parallelgerichte noch enthalten. US-Firmen könnten deshalb schlicht über ihre kanadischen Töchter klagen.

Malmströms Plan ist also nur etwas Salbe auf die Sorgen der TTIP-Kritiker – statt einer grundsätzlichen, knallharten Remedur: Schiedsgerichte einfach gar nicht erst zulassen. Das Projekt des Investitionsgerichtshofs wird ohnehin nie Realität: Wenn es nicht in einem der 28 Mitgliedsstaaten scheitert, dann am No aus den USA.

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Ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt. Er hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz.

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