Kommentar Einwanderungsgesetz Arizona: In Paragraphen gegossene Schikane

„SB 1070“ macht den Latinos das Leben schwer. Das Oberste Gericht hat unfreiwillig deutlich gemacht, dass eine Reform des Einwanderungsgesetzes in Arizona dringend nötig ist.

Auf den ersten Blick sieht es aus, als hätte das Oberste Gericht in Washington eine salomonische Entscheidung über das Einwanderungsgesetz SB 1070 aus Arizona gefällt: Sowohl der Demokrat Barack Obama, dessen Verwaltung dagegen geklagt hat, ist „zufrieden“, als auch die republikanische Gouverneurin Jan Brewer. Sie hatte das Gesetz „zum Schutz“ ihrer Bevölkerung unterzeichnet und spricht nun von einem „Sieg“.

Zwar hat das Gericht drei umstrittene Vorschriften aus dem Gesetz aufgehoben, darunter eine Regel, nach der sich jeder strafbar macht, der keine Papiere bei sich trägt. Auch haben die Richter festgehalten, dass die Einwanderungspolitik eine Sache der Bundesregierung bleibt. Die Bundesstaaten haben also nicht das Recht, 50 eigene – und potenziell konkurrierende - Gesetze zu verabschieden. Die Entscheidung wird deshalb auch auf viele andere Bundesstaaten ausstrahlen.

Doch Millionen Latinos und andere Immigranten in den USA müssen auch nach diesem Urteil rassistische Diskriminerung im Alltag weiter fürchten. Wenn Polizisten in Arizona einen „begründeten Verdacht“ haben, dürfen sie nach Ansicht des Obersten Gerichts weiter den Einwanderungsstatus von Personen kontrollieren. Die Andersbehandlung von Menschen, die durch Hautfarbe, Sprache und Kleidung „verdächtig“ sind, wurde als verfassungskonform bestätigt.

Die in Paragraphen gegossene Schikane gegen Einwanderer hat so den Segen des Obersten Gerichtes bekommen, dessen Richter mehrheitlich mit den Republikanern sympathisieren. Doch mit der Entscheidung vom Montag liefert das Gericht zugleich ein weiteres Argument für eine dringend nötige, nationale Einwanderungsreform – und das dürfte eher der demokratischen Seite nutzen.

Präsident Obama, der sein Versprechen einer „umfassenden“ Reform bisher nicht eingelöst hat, will es mit einem neuen Mandat der Wähler erneut „versuchen“. Sein Herausforderer Mitt Romney hingegen beschränkt sich darauf, von Grenzsicherung zu reden und gegen „Illegale“ Front zu machen.

Sowohl republikanische als auch demokratische Regierungen in Washington haben die überfällige Einwanderungsreform seit Jahren im Parteienstreit zermahlen. Stattdessen wurde ein Flickwerk aus Widersprüchen geschaffen: Mit der vorübergehenden Suspendierung von Abschiebungen für in den USA aufgewachsene junge Leute einerseits und verschärften Personenkontrollen und anderen Schikanen andererseits.

Heute leben mehr als elf Millionen Menschen ohne Papiere in den USA. Die meisten sind Latinos. Als Papierlose sind sie nicht wahlberechtigt. Aber sie haben eine Lobby: die schnell wachsende Minderheit von wahlberechtigten Latinos, von denen rund 50 Millionen in den USA leben. Ohne ihre Stimmen kann niemand mehr Präsident werden.

Gesetze wie „SB 1070“ – aber auch die rekordhohe Zahl der Abschiebungen unter Präsident Obama – haben den Latinos das Leben schwer gemacht. Doch zugleich wurden damit Anlässe geschaffen, dass sie sich organisieren und eigene Forderungen stellen. Darunter solche nach einer Einwanderungspolitik, die legale Brücken für die „Illegalen“ baut. Dabei ist, nicht zuletzt in Arizona, eine „comunidad“ entstanden – eine selbstbewusster werdende Gemeinschaft, die weiß, dass die Zeit zu ihren Gunsten arbeitet. Und die jetzt im Wahlkampf Themen setzen kann.

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