Kommentar Entführung in Israel: Die anderen sind schuld

Die Entführung von drei israelischen Teenagern ist nicht zu rechtfertigen. Gäbe es eine Lösung für den Nahostkonflikt, säßen sie heute bei ihren Mitschülern.

Ein israelischer Soldat bei einer Kontrolle im palästinensischen Westjordanland. Bild: dpa

Die Entführung der drei Israelis ist grausam. Nicht die Besatzung, weder der Bau von Siedlungen noch die über Dutzende Palästinenser verhängte Administrativstrafe können es rechtfertigen, drei Teenager ihrer Freiheit zu berauben und in Todesängste zu versetzen. Die Besatzung bietet keine Legitimation für das erbarmungslose Vorgehen der Geiselnehmer, aber sie ist Grund für ihre Motivation. Gäbe es eine Lösung für den Konflikt in Form von zwei Staaten, dann säßen die drei entführten Jungen auch heute bei ihren Mitschülern.

So aufrichtig der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu mit den Familien um das Schicksal ihrer Söhne bangen mag, so eindeutig spielen ihm die Entwicklungen politisch geradewegs in die Hände. Noch keine drei Wochen ist die Interimsregierung alt, auf die sich die palästinensischen Fraktionen der Fatah und der Hamas geeinigt haben. Der Pakt, den Präsident Mahmud Abbas mit den Islamisten aus Gaza unterzeichnete, so Netanjahu, sei der Grund für die Entführung.

Alle anderen sind Schuld, nur er selbst nicht: die Hamas, die Netanjahu direkt zur Verantwortung zieht, die Fatah für den Zusammenschluss, die EU und letztendlich sogar auch die USA, die sich bereit zeigten, mit dem Bündnis in Ramallah zu kooperieren. Dass es Monate dauerte, um die Entführung vorzubereiten, weiß auch Netanjahu. Das hindert ihn aber nicht daran, die Wirklichkeit für seine Zwecke zurechtzurücken.

Ob die Hamas tatsächlich die Fäden bei der Geiselnahme zog oder nicht, muss sich zeigen. Schlimm genug, dass die Führung in Gaza den Helden von Hebron begeistert Beifall klatscht. Das Bündnis mit der Fatah kann nur gelingen, wenn die Hamas von der Gewalt ablässt. Weniger wird auch der Westen nicht verlangen, um deren Anerkennung die Hamas so sehr ringt. Etwas mehr Abstand zu den Geiselnehmern könnte die palästinensische Einheit vielleicht noch retten.

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1961 in Berlin geboren und seit 2021 Co-Leiterin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.

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