Kommentar Erinnerung an den Holocaust: Ein Mahnmal ist kein Planschbecken

Ein Gedenkbrunnen in Freiburg wird von Fußgängern als Planschbecken genutzt. Es ist aber nicht die Zeit zum Chillen, sondern zum Handeln.

Ein Kind spielt im Brunnen vor der Synagoge in Freiburg

Die Bilder der Menschen und Hunde im „Brunnen der Erinnerung“ schockieren viele Juden Foto: imago/Thomas Meyer

Im August 2017 wurde in Freiburg im Breisgau am Platz der Alten Synagoge ein Brunnen mit den Umrissen des von den Nazis 1938 zerstörten Gebetshauses eröffnet. Die jüdische Gemeinde kritisiert den Plan, weil er kein würdiges Mahnmal darstelle. Während der Bauarbeiten wurden die Grundmauern der Synagoge entdeckt. Diese haben zwar die Zerstörungswut der Nazis überstanden, aber nicht die Freiburger grüne Stadtverwaltung, die sie abgetragen und in den Bauschutt geworfen hatte.

Seit einem Jahr verwenden die Fußgänger den „Gedenkort“ als Planschbecken. Die Bilder der planschenden Menschen und Hunde im „Brunnen der Erinnerung“ schockieren viele Juden. Die älteren Gemeindemitglieder, die den Holocaust überlebten, meiden den Platz. Der Gedenktafel für die alte Synagoge steht unter Wasser, Das Freiburger Onlineportal Fudder bietet einen Ser­vice­artikel dazu an, wo sich „der am härtesten umkämpfte Chill-Spot“ auf dem Platz befände. Es ist aber nicht die Zeit zum Chillen, sondern zum Erinnern – und zum Handeln.

Ein Fünftel der Deutschen glaubt an antisemitische Verschwörungstheorien. Die Schoa wird relativiert, der jährliche Trauermarsch für den „Bombenholocaust“ in Dresden ist dabei nur die Spitze des Eisberges. Neben Juden werden auch Angehörige anderer Minderheiten Opfer von Hasskriminalität und Alltagsrassismus. Seit September sitzt mit der AfD wieder eine Partei im Reichstagsgebäude, die die Ausgrenzung von Minderheiten als Kernteil ihrer politischen Identität sieht.

Die menschenfeindlichen Aussagen und Forderungen der Rechtspopulisten und Rassisten sind der Beweis dafür, dass nicht alle aus der Geschichte gelernt haben. Die AfD ist zwar keine neue NSDAP und wir stehen vor keinem neuen Massenmord – die zunehmende Hetze gegen Minderheiten ist aber bedrohlich. Auch von dieser Gefahr ausgehend ist es wichtig, würdige Gedenk­orte für die Opfer der von deutschem Boden ausgehenden Völkermorde zu errichten – in einem „Gedenkbrunnen“ planschen ist da zumindest unangebracht.

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Jahrgang 1990, ist Koordinator der Salaam-Schalom-­Initiative in Berlin und Autor des Buchs „Ein Jude in ­Neukölln“.

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