Kommentar Eskalation in Kiew: Drehbuch aus Moskau

Putin setzt alles daran, dass die Ukraine auseinanderbricht. Der treibende Akteur ist dabei ausgerechnet Wiktor Janukowitsch.

Oppositioneller in Kiew. 20. Februar 2014. Bild: dpa

Die Situation in Kiew läuft aus dem Ruder. Die Zahl der Toten und Verletzten wächst stündlich. Kiew befindet sich im Ausnahmezustand, auch wenn den niemand offiziell ausgerufen hat. Viele Straßen und Brücken sind gesperrt, Büros und Banken geschlossen, und die Bankautomaten sind leer. Die Menschen haben panische Angst und stehen im Supermarkt Schlange, um die letzten Lebensmittel zu ergattern.

Und das alles nur, weil die Gespräche zwischen Regierung und Opposition ergebnislos geblieben sind. Weder die Regierung noch die Opposition haben die Macht über die Straße, sie können nichts kontrollieren. Die Regierung ist offenbar zerstritten und kann sich auf nichts einigen. Aber auch die drei Oppositionsführer haben sich bei den Demonstranten diskreditiert. Auch sie können keine Ergebnisse vorweisen.

Viele sagen, durch Händeschütteln rettet man keine Menschenleben. Und immer mehr Menschen werden getötet oder verletzt. Gut möglich, dass Präsident Wiktor Janukowitsch auf Kiews Straßen nur unzufriedene Chaoten entdecken kann. Doch das gibt ihm kein Recht, auf die Demonstranten schießen zu lassen.

Das Drehbuch für die blutigen Geschehnisse in Kiew wurde in Moskau geschrieben. Das erklärt auch die vielen russischen Sicherheitskräfte auf Kiews Straßen. Im Internet kann man Fotos von politischen Strategen aus Russland finden, die sich, umgeben von Leibwächtern, durch die Gefechte bewegen. Der Plan ist einfach. Russland möchte den Osten und Süden der Ukraine annektieren. Für den rebellierenden Westen des Landes hat Putin keine Verwendung. Er setzt also alles daran, dass das Land auseinanderbricht.

Kein Wort zu Kiew

Janukowitsch hilft dabei nach Kräften. Er belügt die internationale Gesellschaft genauso wie die Ukrainer. Während oppositionelle Fernsehkanäle Leichen und Verletzte zeigen, sieht man in den vom Präsidenten kontrollierten Medien verwundete Sicherheitskräfte der „Berkut“, die angeblich von „Terroristen“ angegriffen wurden. Diese Bilder werden absichtlich im Osten der Ukraine und in Russland gezeigt, um die Menschen von Putins Ukraine-Politik zu überzeugen. Genauso erzählt er wider jedes besseren Wissens, dass die ukrainische Wirtschaft wachse und wachse, dabei schrumpft sie immer weiter. Zu dem aber, was gerade in Kiew passiert, sagt der Regierungschef kein Wort.

Die extrem brutalen Kämpfe in Kiew werden irgendwann beendet werden, sei es auf friedlichem Wege oder durch noch mehr Gewalt. Die Öffentlichkeit ist praktisch schon bereit, einer Föderalisierung des Landes zuzustimmen. Wird die Ukraine aber geteilt, hat Putin leichtes Spiel: Das Land ist bankrott. Es wird ein Leichtes sein, die Wähler auf seine Seite zu ziehen.

Dass jetzt Gespräche zwischen europäischen Vertretern und der Ukraine stattfinden, gibt zumindest eine kleine Hoffnung darauf, dass das Blutvergießen bald ein Ende hat. Im Moment ist das das Allerwichtigste.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.