Kommentar Ethische Leitlinien zu KI: Zu vorsichtig und industrienah

Die Leitlinien der EU-Kommission zu künstlicher Intelligenz sind nur freundliche Bitten an die Industrie. Längst bräuchte es aber viel mehr.

Ein Roboter auf einer Einkaufsstrasse

Wer sagt ihm, dass er nicht töten darf? Foto: Unsplash/ Lukas

Darf eine Maschine, gesteuert von künstlicher Intelligenz (KI) – jemanden töten? Diese Frage hat die EU-Kommission, die diese Woche ethische Leitlinien zur KI vorgestellt hat, nicht mit Nein beantwortet.

Auch nicht mit Ja, was ja schon mal gut ist, aber sie hat die Frage nicht mal explizit gestellt. Denn die Leitlinien sind nicht mehr als freundliche Bitten an die Industrie, dazu geeignet, die Unternehmen möglichst nicht zu verärgern. Längst bräuchte es aber viel mehr.

Nicht nur weil die USA und China, die derzeit wichtigsten Regionen für die Entwicklung und den Einsatz von KI-Technologien, von ethischen Regeln nicht so wahnsinnig viel halten. Sondern weil auch Europa ein Markt ist. Und KI als relativ neue Technologie wäre eine einzigartige Chance: darauf, verbindliche Regeln zu erstellen, bevor das Produkt in Breite verfügbar ist. Und eben weil die EU mit rund 500 Millionen Bürger:innen ein Markt ist, kämen auch US-Konzerne nicht so einfach an den hiesigen Regeln vorbei.

Dass die Kommission also davon spricht, dass es um Vertrauen in und Akzeptanz für die neue Technologie geht, die etwa selbstfahrende Autos ermöglichen soll, ist viel zu vorsichtig gedacht. Das Gegenteil ist richtig: Die Akzeptanz wäre wohl viel höher, wenn die Menschen wüssten, dass in der EU keine Waffensysteme, die kraft ihres Algorithmus Menschen töten können, entwickelt oder verkauft werden dürften. Wenn klar gesetzlich festgelegt wäre, dass informiert werden muss, und zwar bevor eine KI die Entscheidung über eine Bewerbung oder Kreditwürdigkeit trifft.

Weiche Leitlinien statt harter Regeln sind allein im Interesse der Industrie, die in der EU-Expertengruppe auch kräftig mitmischen darf. Deren zweites Interesse: Wenn Regeln, dann möglichst spät. Dann sind die Produkte schon auf dem Markt, dann kann man mit Umsatzzahlen argumentieren, vor Jobverlusten warnen und mit Abwanderung drohen.

Die Chance, all das zu verhindern und einen verbindlichen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, wäre: genau jetzt.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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