Kommentar Eurokrise: Wir Krisengewinnler

Allem Gejammer über Eurorettung und möglichen Schuldenübernahmen zum Trotz: Deutschland ist Profiteur der Krise.

Griechen und Italiener ächzen unter gewaltigen Zinsen. Wegen der radikalen Sparmaßnahmen wagen die verunsicherten Menschen dort kaum mehr zu investieren. Hierzulande jedoch blüht die Wirtschaft. Im Vergleich zum dritten Quartal des Vorjahres hat das Bruttoinlandsprodukt um kräftige 2,6 Prozent zugelegt. Überraschend - zumal 40 Prozent der Ausfuhren nach wie vor ins europäische Ausland gehen. Allem Gejammer über Eurorettung und möglichen Schuldenübernahmen zum Trotz: Deutschland ist Profiteur der Krise.

Zu anderen Zeiten hätte jede Notenbank bei einer so robusten Konjunkturentwicklung den Leitzins längst nach oben geschraubt. Doch angesichts der Krisen im Rest von Europa hält sich die Europäische Zentralbank EZB derzeit zurück. Jüngst hat sie den Leitzins gar gesenkt. Deutschen Unternehmern und Häuslebauern kommt das zugute: Firmen können bei bereits blendend laufenden Geschäften günstig neue Kredite aufnehmen und noch mehr investieren. Und wer bauen will kommt derzeit so günstig wie selten zuvor an Geld für die eigenen vier Wände.

Zudem bleibt die Wirtschaftslage unsicher - auch in reichen Industrieländern wie Japan und den USA. Derzeit sind weltweit Anleger auf der Suche nach sicheren Häfen für ihr Geld. Als solcher gilt die Bundesrepublik. Kapital aus aller Welt - nicht zuletzt aus Südeuropa - strömt hierher. Auch das trägt zum Wachstum bei.

Doch die Freude darüber wird nicht ewig währen. Längst spürt auch die hiesige exportabhängige Industrie Südeuropas Schuldenkrise. Schon deshalb sollte die Bundesrepublik ihre Blockade der Hilfe für die angeschlagenen EU-Partner beenden und der EZB endlich das Okay zu uneingeschränkten Maßnahmen geben. 2011 war ein gutes Jahr für Deutschlands Wirtschaft. 2012 droht ein Desaster.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.