Kommentar Exekution Sotloff: Wir haben nicht zugehört

Die Journalisten Sotloff und Foley wollten erklären, was in Syrien passiert und wie der IS entstand. Die Öffentlichkeit hat sich nicht dafür interessiert.

IS-Anhänger in Mossul. Bild: ap

Es entbehrt nicht der Ironie, dass die Dschihadisten des Islamischen Staates ausgerechnet jenen Journalisten öffentlich die Kehle durchschneiden, die einst nach Syrien gereist waren, um über das Leiden der syrischen Bevölkerung zu berichten. Jene, die versucht haben, die Umstände in Worte zu fassen, warum Menschen in Syrien gegen das Regime zur Waffe griffen und warum manche von ihnen in den Reihen der militanten Islamisten gelandet sind.

James Foley und Steven Sotloff haben sich beide in Gefahr begeben, um den dortigen Menschen und ihrer Verzweiflung eine Stimme zu geben, in einer Zeit, in der die Medien den Krieg in Syrien fast vergessen und andere Konflikte auf die Tagesordnung des wandernden Krisenzirkus gesetzt hatten.

Und nun führt der grausame Tod der beiden Journalisten dazu, dass in den Zeitungskolumnen wieder von der Barbarei der Wenigen die Rede ist und nicht von der Verzweiflung der Vielen. Der berechtigte Aufschrei über den brutalen Tod der Journalisten verdeckt das, wofür sie gearbeitet und wovon sie berichtet haben. Etwa über die Menschenschlangen vor den Bäckereien in Aleppo, die vom Assad-Regime bombardiert wurden oder Sotloffs Reportage über den eisigen Winter in einem der Flüchtlingslager innerhalb Syriens.

Die beiden Journalisten haben gute Arbeit geleistet, wie so viele andere lokale syrische Journalisten, über deren Schicksal wir nie etwas erfahren. Am ersten Tag des Ramadan war etwa der syrische Fotojournalist Bassam Rais von den Henkern des Islamischen Staats (IS) ermordet worden. Nach einer dreitägigen Schlacht um den Ort Duma, in der Nähe von Damaskus, haben sie ihn umgebracht.

Diesmal gab es kein IS-Propaganda-Video, denn wen da draußen in der weiten Welt kümmert den Tod eines syrischen Journalisten? Trotzdem war es eine öffentliche Exekution auf einem Feld mit Zuschauern. Internationalen Medien haben darüber mit keiner Zeile berichtet. Es war nur ja ein syrisch-muslimischer Kollege.

Westliches Wegsehen und auch ein Stück Arroganz und arabische Verzweiflung sind die Grundstoffe, die den IS zu dem gemacht haben, was er heute ist: eine Organisation, auf deren Gräueltaten wir nun angstvoll blicken. Hätten wir doch schon vorher die Augen und Ohren geöffnet, und hätten wir doch Foley und Scotloff zugehört. Wir hätten verstanden, wie IS in den Trümmern des syrischen Krieges entstanden ist. Oder noch besser, wir hätten vielleicht sogar etwas dagegen unternommen.

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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