Kommentar Expertise G20-Polizeieinsatz: Dem Staat ist zu misstrauen

Nicht mal die Staatsgewalt nimmt die Gesetze ernst. Dass der Staat sich an Recht und Gesetz hält, ist leider nur ein frommer Wunsch.

Vermummte Demonstranten im Schwarzen Block

Dass einer von ihnen ein Polizist ist, geht nur, wenn die Demo-Leitung informiert wird – so jedenfalls sehen es die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags Foto: dpa

Wenn die Polizei eine öffentliche Versammlung infiltriert, ohne sich an klare Regeln zu halten, wird sie zum Borderliner des Rechtsstaates. Geschehen ist das am Vorabend des G20-Gipfels in Hamburg. Gegenstand vielfältiger Missachtung an diesem Tag: das Versammlungsrecht. Untermauert wird diese Lesart nun von einer Expertise der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, in Auftrag gegeben vom Linken-Abgeordneten Andrej Hunko.

Zur Erinnerung: Die Polizei hatte den Demonstrationszug unter dem Motto „Welcome to Hell“ gar nicht erst losgehen lassen – mit der Begründung, dass Teilnehmer*innen vermummt seien. Wer konnte schon ahnen, dass die Polizei damit auch auf sich selbst verwies, weil sich Beamt*innen undercover unter die vermummten Demonstrant*innen gemischt hatten.

Es ist ein Vorgang, der vermutlich nie hätte ans Licht kommen sollen. Doch dann verplapperte sich im Prozess gegen einen G20-Gegner ein sächsischer Polizist im Zeugenstand. Er gab an, er habe sich mit Kolleg*innen unter die vermummten Demonstrant*innen gemischt.

Die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages machen in ihrer Ausarbeitung nun deutlich: Die Beamten hätten bei dieser Angelegenheit, die den Anlass für die Demo-Auflösung lieferte, nicht die Finger im Spiel haben dürfen. Und sie hätten den Demo-Leiter und Flora-Aktivisten Andreas Blechschmidt informieren müssen. Dass das nicht geschah, sei ein Verstoß gegen das Versammlungsrecht.

Was ,lernt' uns das? Haben wir uns schon daran gewöhnt, dass noch nicht mal die Staatsgewalt die Gesetze ernst nimmt – aus ermittlungstaktischen Erwägungen, versteht sich? Die traurige Antwort hat die Gewerkschaft der Polizei schon vor Wochen gegeben: Beim Einsatz vermummter Tatbeobachter habe es sich um „klassische Polizeiarbeit“ gehandelt, erklärte sie.

Die Lektion ist also: Misstraue dem Staat. Dass er sich an Recht und Gesetz hält, ist leider nur ein frommer Wunsch.

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studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Ethnologie in Potsdam, Berlin und Mexiko-Stadt und schreibt seit 2009 für die taz. Sie volontierte bei der taz in Hamburg, war dort anschließend Redakteurin, Chefin von Dienst und ab Juli 2017 Redaktionsleiterin. 2019 wechselte sie in die Produktentwicklung der taz und ist verantwortlich für die Digitalisierung der täglichen taz.

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