Kommentar FDP in Niedersachsen: Der Sieg des Scheinriesen

Der Erfolg der FDP ist ein geborgter Sieg, auf Taktik gegründet. Die Liberalen sind nun existenziell auf die Union angewiesen – auch im Bund.

Die Geschichte vom unverhofften Wiederaufstieg nach dem tiefen Fall verliert viel von ihrem Glanz, wenn man genauer hinsieht. FDP-Wahlparty in Hannover. Bild: dapd

Niemand hatte dieses Ergebnis für die FDP auf der Agenda. Dieser Erfolg überrascht noch mehr als der von Christian Lindner in Nordrhein-Westfalen, der ja, wie vage auch immer, eine neue Richtung für die FDP verkörpert. Das Ergebnis für den unscheinbaren FDP-Mann Stefan Birkner kommt scheinbar aus dem Nichts. Doch diese Geschichte vom unverhofften Wiederaufstieg nach dem tiefen Fall verliert viel von ihrem Glanz, wenn man genauer hinsieht.

Es ist ein geborgter Sieg, der auf Taktik gründet. CDU-Ministerpräsident David McAllister hat zwar immer bestritten, eine Zweitstimmenkampagne für die Liberalen zu inszenieren – faktisch aber hat die CDU in Niedersachsen genau dies getan. Sie hat dem Publikum immer wieder zu verstehen gegeben, dass McAllister nur mit der FDP Ministerpräsident bleibt. Nur deshalb haben die Liberalen es nun so souverän über die Fünfprozenthürde geschafft.

Doch wirklich freier, souveräner, eigenständiger ist die FDP – mit Blick auf die Bundestagwahl – nach diesem Coup nicht. Mag sein, dass ihr Erfolg den Machtkampf um den Job von Philipp Rösler erst mal stilllegt und den inneren Verfall abbremst.

Doch die Partei ist nach Hannover allem Triumph zum Trotz abhängiger von der Union als zuvor. Die Liberalen sind nun eine Art Scheinriese. Auch im Bund sind sie auf die Rolle als Merkels möglicher Mehrheitsbeschaffer fixiert. Ob die Liberalen diese Rolle unter Rösler oder unter Rainer Brüderle spielen werden, ist zweitrangig. Die FDP wird wohl auch bei der Bundestagswahl im Herbst von der tätigen Hilfe von Angela Merkel abhängig sein, die eine ähnlich verdeckte Pro-FDP-Kampagne inszenieren wird.

Das bedeutet für den Bund, dass jede Ampel-Spekulation beendet werden kann. Eine abhängige FDP kann das Lager nicht wechseln. Mit Pro-Merkel-Stimmen Merkel aus dem Amt tragen – solche Gelenkigkeit mag man noch nicht mal der FDP zutrauen. Insofern scheint Angela Merkel mal wieder hintenherum die geheime Siegerin zu sein. Die FDP ist nun existenziell auf die Union angewiesen – umkehrt gilt dies nur bedingt.

Der FDP-Erfolg zeigt auch, wie machttaktisch versiert das konservativ-liberale Lager zu agieren versteht. Oder kann man sich vorstellen, dass SPD und Linkspartei sich je auf eine ähnlich reibungslose Arbeitsteilung verständigen können?

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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