Kommentar Fleischatlas 2014: Es geht um die Menge

Die Forderung nach totalem Fleischverzicht ist kontraproduktiv. Die Verbraucher sollten ihren Konsum aber reduzieren.

Der ein oder andere Wurstring weniger täte den Deutschen gut. Bild: ap

„Jetzt wollen uns diese Ökos auch noch unser Essen verbieten!“ Das werden manche Konsumenten denken, wenn sie vom „Fleischatlas 2014“ hören. Denn das ist ja die Botschaft des mit großem Interesse der Mainstream-Medien vorgestellten Hefts: Der Tierkonsum verursacht Hunger in armen Ländern und Umweltschäden weltweit. Also gar kein Fleisch mehr essen?

Diese radikale Forderung ist kontraproduktiv, weil sie die Mehrheit der Bevölkerung vor den Kopf stößt. Zwar wächst der Anteil der Vegetarier, aber immer noch ernähren sich nur rund vier Prozent der Deutschen ohne Fleisch. Für die überwiegende Mehrheit gehört dieses Nahrungsmittel einfach dazu – auch aus Genussgründen. Das wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern.

Es wäre auch falsch, wenn niemand mehr Fleisch äße. Denn ohne Wiederkäuer ließen sich etwa europäische Weiden nicht mehr für die Nahrungsmittelproduktion nutzen. Grünland zu Äckern umzubrechen, würde der Umwelt schaden, denn es beherbergt zahlreiche Pflanzenarten und speichert viel Treibhausgas.

Zudem benötigt eine umweltfreundliche Landwirtschaft global gesehen Tiere. Denn deren Exkremente sind eine wichtige Quelle beispielsweise für Nährstoffe, die Pflanzen zum Wachsen brauchen.

Auch aus ernährungsmedizinischer Sicht ist maßvoller Fleischkonsum sinnvoll. Eine rein pflanzliche Ernährung – etwa ohne Fleisch und Eier – kann nur gesund sein, wenn man trotzdem genügend Eisen und Vitamin B12 aufnimmt. Linsen etwa liefern Eisen in bedeutender Menge, allerdings nur, wenn man gleichzeitig Vitamin C erhält. Dieses Wissen hat nicht jeder.

Aber diese Argumente können keinesfalls die zu hohe Menge des Fleischkonsums in den Industrieländern rechtfertigen. Der Verbraucher in Deutschland verzehrt im Schnitt rund 60 Kilogramm pro Jahr – mehr als doppelt so viel, als etwa die renommierte Deutsche Gesellschaft für Ernährung aus medizinischer Sicht empfiehlt – obwohl ein zu hoher Fleischkonsum sogar der Gesundheit schaden kann.

Schon deshalb müssen die Verbraucher weniger Fleisch essen. Nichtregierungsorganisationen und Medien können Argumente dafür nennen. Umweltfreundlicher wird die verbleibende Fleischproduktion damit allerdings noch lange nicht. Darum muss sich schon der Staat kümmern.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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