Kommentar Frankreichs Ökosteuer-Streit: Macrons verbohrte Rechthaberei

Frankreich stoppt die umkämpfte Erhöhung der Spritabgaben nun doch. Aber was am Anfang der Proteste genügt hätte, reicht längst nicht mehr.

Anti-Macron-Graffiti

Vom Straßenkampf zur Street Art: Anti-Macron-Graffiti in Paris Foto: Imago/ Michael Trammer

Nichts ist für die Glaubwürdigkeit einer Regierung verheerender, als eine Konzession zu machen, die sie zuvor kategorisch ausgeschlossen hat. „Wir halten den Kurs!“, hatten Präsident Emmanuel Macron und als sein Echo Premierminister Edouard Philippe versichert. Beide erklärten im Verlauf des Konflikts mit den „Gelbwesten“ mit einer an Sturheit grenzenden Konstanz, ein Verzicht auf die geplante Erhöhung der Treibstoffabgaben komme keinesfalls infrage. Diese macht zwar aus klimapolitischer Sicht in der Perspektive eines unvermeidlichen Ausstiegs aus den fossilen Energien Sinn, sozialpolitisch aber war diese Schocktherapie für einkommensschwache Bevölkerungskreise ein Affront, um nicht zu sagen ein unverzeihlicher Blödsinn.

Jetzt wird diese fiskalische Verteuerung des Sprits, die das Fass des Unmuts über die Steuer­lasten zum Überlaufen gebracht hat, sang- und klanglos beerdigt, als sei dies eine Bagatelle. Warum nicht gleich?

Das fragen nicht nur die „Gilets jaunes“ und Macrons Gegner in der Opposition, sondern selbst viele seiner Freunde und Anhänger, die über die verbohrte Rechthaberei des Staatschefs den Kopf schütteln. Bei den Wahlen war er als genialer Taktiker gefeiert worden, heute, in der Realpolitik als eigenmächtig agierender Staatschef, hat er mit seiner Hinhaltestrategie ein Chaos angerichtet.

Kein Pardon verdient

Was am Anfang der Bewegung genügt hätte, um die Wut der Bürger in gelben Warnwesten zu beruhigen, reicht am Ende einer dreiwöchigen Eskalation eben nicht mehr als Beweis einer echten Gesprächsbereitschaft. Immerhin gesteht die Staatsführung wenigstens ein, dass sie sich in der Einschätzung der Proteste gewaltig geirrt hatte. Doch den dafür fälligen Preis will sie nicht bezahlen. Einmal mehr versucht der Regierungschef im Auftrag des Präsidenten die Forderung nach konkreten finanziellen Entlastungen für Geringverdiener auf später zu vertrösten. Das ist ein riskantes Manöver, das prompt von den Gegnern in gelben Warnwesten durchschaut wird.

Die Ironie der Geschichte ist es, dass Macrons Premierminister Edouard Philippe versichert, die Staatsführung kenne und höre längst diese angestaute Wut, „die von weit her kommt und die lange stumm geblieben ist“. Wer demnach also mit vollem Bewusstsein existierende Gräben vertieft und mit einer ungerechten Verteilung der Steuerlast den Hass zwischen denen da unten und denen da oben schürt, verdient kaum Pardon. Wenn es nach den „Gilets jaunes“ geht, sitzt Macron heute im Élysée auf der Abschussrampe. Was nach ihm und an seiner Stelle kommen soll, bleibt in ihren häufig gegensätzlichen Plänen und Träumen von einer „Sechsten Republik“ gefährlich vage.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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