Kommentar Freispruch Husni Mubaraks: Die alten Kräfte regieren weiter

Die Freilassung Mubaraks zeigt, Repression zahlt sich aus. Kaum ein Protest ist zu hören, obwohl Ägyptens Ex-Diktator jetzt doch straffrei bleibt.

Hände halten ein Bild Mubaraks

Der Langzeit-Diktator Husni Mubarak ist wieder frei Foto: reuters

Jetzt ist er also frei, Ägyptens Langzeit Ex-Diktator Husni Mubarak. Es ist eine bittere Fußnote der Geschichte. Denn so mancher jener Aktivisten, die im Januar 2011 auf dem Tahrir-Platz gegen ihn protestiert und Mubaraks Sturz herbeigeführt hatten, sitzen heute statt seiner im Gefängnis. So verkehrt ist die arabische Welt.

Mit Mubaraks Freispruch ist nun auch endgültig klar: Niemand wird für die Tötung von über 800 Demonstranten zur Rechenschaft gezogen, die damals gegen Mubarak demonstriert hatten. 800 Menschen scheinbar von Geisterhand erschossen und erschlagen.

Mubaraks Freilassung ist auch ein Symbol daür, dass sich trotz aller damaligen Hoffnungen und Träume auf dem Tahrir-Platz die Zeiten in Ägypten nicht wirklich geändert haben. Keine staatliche Institution wurde reformiert und die alten Kräfte regieren weiter, allen voran die Führung der Armee.

Mubarak selbst wird indes keine politische Rolle mehr spielen. Vielleicht ist das der Grund, warum seine Freilassung zu nicht viel mehr als einem leisen Murren in Ägypten führt. Vielleicht auch, weil jeder Protest gegen das alte und neue Regime ohnehin im Keim erstickt wird. Wer möchte schon im Gefängnis landen, weil er gegen ein Ex-Diktator demonstriert hat, der nichts mehr zu melden hat.

Ist der arabische Frühling gescheitert?

Das zahlt sich genauso wenig aus, wie Proteste gegen das neue Regime gefährlich sind. Ist der arabische Frühling damit gescheitert? Prozesse des Wandels lassen sich nicht in Jahreszeiten beschreiben. Einer der damaligen Aktivisten auf dem Tahrirplatz hat einmal gesagt: „Als wir Mubarak losgeworden sind, war das als hätten wir ein frühes Tor in der zweiten Minute geschossen. Alle haben gejubelt und wir vergessen, dass noch 88 Spielminuten vor uns liegen“.

Repression funktioniert, das zeigen die Fälle Ägypten und Türkei. Zumindest eine gewisse Zeit, denn jede Repression hat auch ein Ablaufdatum. Vor allem dann, wenn das durch Repression an der Macht gehaltene Gebilde es nicht schafft, die Lebensbedingungen zu verbessern.

Erst dachten alle auf dem Tahrir, dass nach dem Sturz Mubaraks die Zukunft der arabischen Welt friedlich und demokratisch ausgehandelt wird. Dann wurden die Muslimbrüder und Salafisten gewählt, und die Angst ging um, dass Ägypten ein Islamischer Staat wird. Dann hat das Militär die Macht an sich gerissen. Die ägyptische Achterbahnfahrt wird weitergehen. Wahrscheinlich haben wir im arabischen Fußballspiel des Wandels noch nicht mal die Halbzeit erreicht.

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

Auch Jahre nach Beginn des „Arabischen Frühlings“ reißen die Massenproteste nicht ab. Ein ganzes Jahrzehnt ist tief durch die Arabellion geprägt. Im Schwerpunkt-Dossier „Zehn Jahre Arabischer Frühling“ berichten taz-Korrespondent*innen und Gastautor*innen aus den Umbruchsländern vom Maghreb über Nordafrika bis nach Syrien, den ganzen Nahen Osten und die arabische Halbinsel.

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