Kommentar Gewalt in Libyen: Europa schaut weg

Die Eskalation der Gewalt sollte ein Weckruf für die EU sein, sich beim Aufbau Libyens stärker zu engagieren. Dort will die Mehrheit einen zivilen Wandel.

Die Lage in der libyschen Hauptstadt ist verworren. Soldaten bewachen eine wichtige Straße in Tripolis. Bild: imago/Xinhua

Es war still um Libyen geworden. Europa schaute nach Lampedusa, Mali oder Syrien. Und ignorierte, dass der Flüchtlings- und Waffenschmuggel in Libyen seinen Ursprung hat. Extremisten aus der ganzen Region konnten hier in aller Seelenruhe ihre Trainingscamps ausbauen. Kein Wunder, gegen das karge Afghanistan ist das in Geld und Öl schwimmende Libyen geradezu ein Paradies für jede selbst ernannte Miliz.

Mit der Operation Karama („Würde“) der „Nationalarmee“ unter General Chalifa Haftar werden sich im Kampf gegen die islamistischen Milizen die Machtverhältnisse nun ein wenig zugunsten der Armee verschieben. Haftar ist allerdings ein umstrittener Autokrat. Er wird wie die meisten anderen Figuren auf dem politischen Spielfeld langfristig keinen demokratischen Wandel bringen.

Die Bürgerinnen und Bürger in Bengasi, Derna und Tripolis haben wiederholt den selbst ernannten Revolutionären die Stirn geboten. Dass die Mehrheit der Libyer dabei auf einen zivilen Wandel setzt, zeigen die vielen friedlich verlaufenden Wahlen. Zuletzt haben mehr als 25 Gemeinden demokratisch legitimierte Lokalvertretungen gewählt. Der erste Schritt in Richtung Demokratisierung ist der Aufbau funktionaler lokaler Verwaltungsstrukturen.

Die Eskalationen vom Wochenende sollten ein Weckruf für Europa sein, den zivilen Staatsaufbau massiv zu unterstützen. Das Engagement der EU in Libyen ist lächerlich unterdimensioniert. Warum eine solche Hilfe wichtig ist, zeigt ein Blick auf die Landkarte: Wenn man Libyen sich selbst überlässt, kommen irgendwann nicht nur Migranten, sondern auch Terrorgruppen mit Schlauchbooten nach Europa.

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Mirco Keilberth berichtet seit 2011 von den Umstürzen und den folgenden Übergangsprozessen in Nordafrika. Bis 2014 bereiste er von Tripolis aus Libyen. Zur Zeit lebt er in Tunis. Für den Arte Film "Flucht nach Europa" wurde er zusammen mit Kollegen für den Grimme Preis nominiert. Neben seiner journalistischen Arbeit organisiert der Kulturwissenschaftler aus Hamburg Fotoausstellungen zu dem Thema Migration. Im Rahmen von Konzerten und Diskussionsveranstaltungen vernetzt seine Initiative "Breaking the Ice" Künstler aus der Region, zuletzt in Kooperation mit der Boell-Stiftung im Rahmen des Black Box Libya Projektes.

Auch Jahre nach Beginn des „Arabischen Frühlings“ reißen die Massenproteste nicht ab. Ein ganzes Jahrzehnt ist tief durch die Arabellion geprägt. Im Schwerpunkt-Dossier „Zehn Jahre Arabischer Frühling“ berichten taz-Korrespondent*innen und Gastautor*innen aus den Umbruchsländern vom Maghreb über Nordafrika bis nach Syrien, den ganzen Nahen Osten und die arabische Halbinsel.

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