Kommentar Griechenlandpolitik: Merkel, die klügere Nationalistin

Die Zukunft Bosbachs kann der Kanzlerin egal sein. Doch sie wird nicht umhinkommen, die Euro-Skeptiker dort zu attackieren, wo sie verwundbar sind.

Kanzlerin Angela Merkel.

Ein Crash wäre auch für die CDU gefährlich. Das weiß auch die Kanzlerin. Foto: ap

Wolfgang Bosbach hat es mal wieder geschafft: Der CDU-Abgeordnete und Euro-Rebell ist in den Medien, seinem Lieblingsplatz. Er nutzte das Sommerloch, um eine nicht sonderlich dringende Ankündigung zu lancieren. Im September gibt er seinen Vorsitz im Innenausschuss auf. Aber sein Mandat im Bundestag behält er.

Damit bleibt Bosbach hinter den eigenen Andeutungen zurück. Immer wieder hatte er insinuiert, dass er das Parlament verlässt, falls es zu einem weiteren Kreditpaket für Griechenland kommt. Jetzt ist es nur ein halber Rücktritt, und damit bleibt Bosbach sich treu: als Deutschlands oberster Wichtigtuer.

Kanzlerin Merkel kann es egal sein, dass Bosbach weiter im Bundestag sitzen und als Euro-Skeptiker nerven wird. Hätte er das Parlament verlassen, hätte sich sofort ein anderer Unions-Politiker gefunden, um den deutschen Nationalismus zu bedienen.

Die Causa Bosbach zeigt aber, dass Merkel vor einer grundsätzlichen Entscheidung steht, wie sie mit der Eurokrise weiter umgeht. Bisher hat sie stets nur das Nötigste getan, um die Währungsunion zu retten, und ansonsten gehofft, dass das Problem irgendwie von selbst verschwindet.

Grexit ist die teuerste Lösung

Diese Strategie war immer falsch und kommt jetzt sichtbar an ihr Ende, wie die populistische Widerstandsinszenierung von Bosbach zeigt. Die Kanzlerin wird nicht umhinkommen, Bosbach & Co. dort zu attackieren, wo sie verwundbar sind: bei ihrem eigenen Nationalismus.

Bosbach und andere Euro-Skeptiker suggerieren, dass es im Interesse Deutschlands sei, Griechenland fallen zu lassen. Dies ist objektiv falsch. Der Grexit wäre die teuerste Lösung, und zwar nicht unbedingt für die Griechen, sondern für die Deutschen. Die ökonomischen Kettenreaktionen wären nicht mehr zu kontrollieren, und der Euro würde von innen gesprengt. Deutschland rettet die Griechen, um sich selbst zu retten. Mit seinen Politikvorschlägen würde Bosbach immensen Schaden anrichten.

Es ist keine Nostalgie oder Griechenfreundschaft, die Merkel leitet. Sie ist die klügere Nationalistin. Sie weiß, dass die CDU es nicht überleben würde, wenn sie die Megakrise auslöst, die ein Eurocrash bedeutet. Aber diese Gefahren muss sie ihrer Fraktion erläutern. Von allein merken es Bosbach & Co. nämlich nicht.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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