Kommentar Haltung der EU beim Brexit: Nicht hinter Irland verstecken

In Brüssel ist man enttäuscht von Theresa May. Doch tatsächlich müssten sich auch die Europäer in Sachen Backstop und Irland bewegen.

Menschen mit britischen und EU-Flaggen stehen statisch nebeneinander auf einem Platz

Die EU und die Briten müssten sich aufeinander zubewegen, aber danach sieht es nicht aus Foto: ap

Theresa May ist nicht mehr gern gesehen in Brüssel. Seit die britische Premierministerin die Abstimmung über den Brexit-Vertrag im britischen Unterhaus krachend verloren hat, gilt sie als unzuverlässige Loserin. Und was sie nun als Ausweg präsentierte, bezeichnen einige Berufseuropäer als schlechten Witz. Mays Plan B unterscheide sich nicht vom (gescheiterten) Plan A, so die ätzende Kritik.

Doch in Wahrheit sollten die EU-Politiker May dankbar sein. Zumindest jene, die wie Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am bisherigen Brexit-Deal hängen. Denn May hat diesen Deal mit keinem Wort infrage gestellt. Dabei wäre das die naheliegende Reaktion gewesen: „So sorry, liebe Europäer, ich habe alles versucht, aber für unseren Deal gibt es im Unterhaus leider keine Mehrheit!“

Es wäre auch die ehrlichste Antwort gewesen. Denn gegen den „bestmöglichen Deal“ (Juncker) ist ja nicht nur die britische Opposition. Auch die Hälfte von Mays Tories und die nordirische DUP lehnen die mit der EU vereinbarten Pläne ab. Und das nicht nur wegen des umstrittenen „Backstops“ für Irland. Für viele Abgeordneten stimmt die ganze Richtung nicht, der Deal hält UK zu nah an der EU.

So ist die Lage. May hätte die Möglichkeit gehabt, sie für sich zu nutzen und den Deal schlicht und einfach für tot zu erklären. Dann wäre der Schwarze Peter in Brüssel gelandet. Doch das hat sie nicht getan. Stattdessen hält May die Illusion aufrecht, die sich auch in der EU viele machen: Dass es irgendwie möglich sein müsste, doch noch eine Mehrheit für den gescheiterten Deal zu organisieren.

May will den Backstop aufweichen

Nur beim „Wie“ gehen die Meinungen zwischen London und Brüssel auseinander. In der EU glaubt man, May müsse „einfach“ auf die Opposition zugehen und eine überparteiliche Mehrheit für „ihren“ Austrittsvertrag organisieren. Eine Große Koalition nach deutschem Vorbild, das wäre doch mal was! Doch das ist eine Illusion. Selbst mit mehr Zeit und Druck bekommt London keine Konsenskultur, schon gar nicht beim Brexit.

May versucht denn auch einen anderen Weg. Sie will den „Backstop“ aufweichen. Die umstrittene Auffanglösung für Irland soll entweder durch eine Absprache mit Dublin ersetzt werden – oder nach fünf Jahren automatisch auslaufen. Beide Varianten verfolgen dasselbe Ziel: May möchte ihren Gegnern das Argument aus der Hand schlagen, dass UK auf Dauer an die EU gebunden bleiben könnte.

Doch genau das wollen die Europäer vermeiden. Sie betrachten den „Backstop“ als „Lebensversicherung“ für den Fall, dass alle Stricke reißen und sich die noch ausstehenden Verhandlungen über ein Partnerschaftsabkommen in die Länge ziehen. Nur Polen ist aus dieser gemeinsamen Haltung ausgeschert – und wurde sofort zurückgepfiffen. Der „Backstop“ erweist sich als neuralgischer Punkt.

Doch die Europäer machen sich etwas vor, wenn sie glauben, sie könnten diesen Punkt einfach ausklammern und sich hinter Irland verstecken. Sie müssen sich bewegen, um doch noch eine Lösung zu ermöglichen. Bisher sieht es nicht so aus, als seien sie dazu bereit. Nicht nur May hat keinen Plan B – Brüssel hat auch keinen. Und auf beiden Seiten fehlt die Kraft zum Kompromiss.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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