Kommentar Harald Range: Inszenierung als Märtyrer

Harald Range provoziert seinen Rausschmiss. Der ist angebracht. Als Generalbundesanwalt ist der FDP-Mann eine Fehlbesetzung.

Harald Range

Herr Range in Kampfhahn-Positur: Hochroter Kopf, starrer Blick – kurz vor der Explosion. Foto: dpa

Es ist ein frecher Abgang. Wer geglaubt hat, Harald Range würde mit einem schnöden Rücktritt seine üppige Beamtenpension riskieren, sieht sich getäuscht. Der 67-jährige Generalbundesanwalt organisiert sich lieber seinen Rausschmiss – als vermeintlicher Märtyrer im Kampf für die Unabhängigkeit der Justiz. Sein dreister Auftritt am Dienstagmorgen in Karlsruhe war eine Kampfansage. Justizminister Heiko Maas wird sie annehmen müssen. Ihm wird nichts anderes übrigbleiben, als Bundespräsident Joachim Gauck um die Versetzung Ranges in den einstweiligen Ruhestand zu ersuchen.

So absurd die Vorstellung ist, die Betreiber des Internetblogs netzpolitik.org hätten ein „Staatsgeheimnis“ veröffentlicht und „Landesverrat“ begangen, so eigentümlich interpretiert Range seine Funktion. Über die Einhaltung der Gesetze zu wachen, sei Aufgabe der Justiz, hat er bei seinem kurzen Pressestatement gesagt. Das ist wahr.

Allerdings hat der oberste deutsche Strafverfolger unerwähnt gelassen, dass für ihn eine statusrechtliche Besonderheit gilt: Der Generalbundesanwalt ist eben nicht unabhängig, sondern ein politischer Beamter. Schon seine Auswahl erfolgt nicht allein nach fachlichen Kriterien: Ohne sein FDP-Parteibuch wäre Range 2011 niemals Generalbundesanwalt geworden. Schließlich amtierte damals noch eine FDP-Justizministerin.

Der Generalbundesanwalt hat darauf zu achten, so steht es in seiner Selbstdarstellung, „dass die grundlegenden staatsschutzspezifischen kriminalpolitischen Ansichten der Regierung im Rahmen der strafprozessualen Vorgaben und Handlungsspielräume in die Strafverfolgungstätigkeit einfließen und umgesetzt werden“. Genau das hat Range gröblich missachtet.

Denn hätte er seinen Handlungsspielraum richtig genutzt, hätte er den Begehrlichkeiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz nicht nachgegeben. Dann hätte ihn Maas auch nicht zurückpfeifen müssen. Wie heikel es ist, unter Berufung auf den Landesverratsparagrafen gegen Journalisten vorzugehen, weiß seit der Spiegel-Affäre schließlich jede Bundesregierung. In der tatsächlich skandalösen NSA-Affäre hat Range jedenfalls weniger Eifer gezeigt.

Harald Ranges Tage als Generalbundesanwalt sind zum Glück gezählt. Doch das eigentliche Problem hat Justizminister Maas damit nicht gelöst: Es ist höchste Zeit, dass der anachronistische Landesverratsparagraf gestrichen wird. Ebenso sollte der völlig schwammige „Begriff des Staatsgeheimnisses“ aus dem Strafgesetzbuch verschwinden. Denn ob und wann die im Strafgesetzbuch dafür aufgeführten Kriterien erfüllt sind, ist stets interpretierungsbedürftig, also letztlich Ansichtssache – und damit ein Einfallstor für Willkür. Der Fall netzpolitik.org liefert dafür ein anschauliches und erschreckendes Beispiel.

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Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Mehrere Buchveröffentlichungen (u.a. „Endstation Rücktritt!? Warum deutsche Politiker einpacken“, Bouvier Verlag, 2011). Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft.

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