Kommentar Hinrichtungsgift: Respekt, Fresenius

Der deutsche Pharmahersteller Fresenius Kabi wird kein Propofol für Hinrichtungen in die USA liefern. Das verdient Respekt.

Kann beim Schlafen helfen (Michael Jackson) und/oder den Tod bringen: Propofol. Bild: reuters

Die Gefängnisse in den USA werden es jetzt also ein bisschen schwerer haben, sich das Gift für ihre Todeskandidaten zu besorgen: Legal jedenfalls wird es den US-Strafvollzugsbehörden nicht mehr möglich sein, das Narkosemittel Propofol – hergestellt, um Menschen zu heilen – für Hinrichtungen zu missbrauchen. Zu verdanken ist dies Fresenius Kabi, einem deutschen Pharmahersteller, der seine unternehmerische Verantwortung ernst nimmt.

Die Entscheidung der Firma, allen US-Großhändlern umgehend zu kündigen, sollten diese die Gefängnisse vertragswidrig mit Propofol beliefern, verdient Respekt. Und sie zeigt zweierlei. Erstens: Unternehmen haben erkannt, dass drohender Imageschaden auf lange Sicht schwerer wiegt als kurzfristige Wirtschaftsinteressen.

Zweitens: Öffentlicher Druck lohnt sich doch. Ohne den Einsatz der Menschenrechtlerin Maya Foa von der NGO Reprieve hätte Fresenius Kabi ganz gewiss nicht – oder zumindest nicht so schnell und mit einem so deutlichen Signal – reagiert.

Zugleich darf man die Hoffnungen nicht zu hoch hängen und die Illusion pflegen, dass im Kampf gegen die Todesstrafe dank des Propofol-Stopps nun ein großer Sieg errungen worden sei: Ein Staat, der wegen Mordes Verurteilte töten will, wird weiterhin töten. Mit oder ohne Propofol. Tötungsmittel finden sich immer. So zynisch es klingt: Im Zweifel reicht auch eine Überdosis Paracetamol.

Wer dies für Unrecht hält, wer in der Todesstrafe einen massiven Verstoß gegen die Menschenrechte sieht oder wenigstens, hallo, CDU!, gegen die Zehn Gebote, der darf allerdings die Verantwortung dafür, dass sich doch bitte etwas ändern möge, nicht allein der Wirtschaft zuschieben. Sondern der muss politisch handeln, der muss Menschenrechte immer und immer wieder zum Thema machen. Auch wenn viele es nicht mehr hören können oder wollen. Vollkommen egal.

Politischer Druck aber ist bislang kaum erkennbar. Angela Merkel etwa rief die Mongolei im vergangenen Jahr bei ihrem Staatsbesuch dazu auf, die Todesstrafe abzuschaffen. Auch mit Obama spricht die Kanzlerin selbstverständlich über viele wichtige Dinge. Darunter die Eurokrise, der Klimawandel oder die Entwicklungen in der arabischen Welt.

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Heike Haarhoff beschäftigt sich mit Gesundheitspolitik und Medizinthemen. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Kinderheim bei Paris ab 1989 Studium der Journalistik und Politikwissenschaften an den Universitäten Dortmund und Marseille, Volontariat beim Hellweger Anzeiger in Unna. Praktika bei dpa, AFP, Westfälische Rundschau, Neue Rhein Zeitung, Lyon Figaro, Radio Monte Carlo, Midi Libre. Bei der taz ab 1995 Redakteurin für Stadtentwicklung in Hamburg, 1998 Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und von 1999 bis 2010 politische Reporterin. Rechercheaufenthalte in Chile (IJP) und den USA (John McCloy Fellowship), als Stipendiatin der Fazit-Stiftung neun Monate Schülerin der Fondation Journalistes en Europe (Paris). Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis der Bundesarchitektenkammer (2001), dem Frans-Vink-Preis für Journalismus in Europa (2002) und dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse (2013). Derzeit Teilnehmerin am Journalistenkolleg "Tauchgänge in die Wissenschaft" der Robert Bosch Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

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