Kommentar Immer Bereit: Winterschlaf wär ’ne Option

Unsere Autorin mag die Adventszeit. Und Weihnachtsfilme. Wäre da nur nicht die Sache mit der Schildkröte – und dem Meerschweinchen.

Unter den Linden sind die Bäume mit Lichterketten dekoriert.

Nicht immer so beschaulich wie es scheint: die Weihnachtszeit Foto: AP

|Ich bin so müde. Ich könnte die ganze Zeit nur schlafen.

Gestern habe ich Tannenzweige in alle Blumenkästen auf meinem Balkon gesteckt, damit er nicht mehr so zerlumpt aussieht, seit ich mit den meisten meiner Pflanzen alle Rettungswege im Hausflur verstellt habe. Für die Lichterkette hat es dann aber doch nicht mehr gereicht. Ich musste mich erst noch mal hinlegen. Ich bin so müde.

Ich mag den Advent. Ich mag Plätzchen backen und Lichterketten und Weihnachtsfilme. In meinem DVD-Player läuft schon wieder Bridget Jones in Dauerschleife. Den kann ich mir eigentlich immer angucken, diese entzückende Verfilmung des unfassbar komischen Romans über eine hochneurotische Frau Anfang 30, die sich die ganze Zeit verrenkt, um irgendwelche Typen zu manipulieren und dabei nicht merkt, wie toll sie eigentlich ist.

Auf meiner Weihnachtsfilm-Eskalationsliste folgen Stirb langsam 1 und 2 (Bruce Willis im Feinripp mit blutenden Füßen im Schnee), gefolgt von Oliver Twist (Dickens!), Der Muppets Weihnachtsgeschichte (Dickens und Kermit!!), dem unausweichlichen Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (Klein Röschen!!!), und als absolute Krönung Die Weihnachtsgans Auguste (Käthe Reichel am Klavier singt Zarah Leander!!!!).

Weihnachten ist die Zeit der Tradition, nicht der Avantgarde. Genau das macht ja auch seine Geborgenheit aus. Man fühlt sich viel weniger asozial als im Frühling, wenn man Mittags um eins noch keine Hose an hat. Schließlich will bei dem Wetter sowieso niemand vor die Tür. Wozu auch? Es ist doch eh ständig dunkel. Vielleicht sollten wir wirklich einfach alle Winterschlaf machen.

Zaumzeug für Cleopatra

Frieda hatte als Kind mal eine Schildkröte, nachdem wir zusammen Die unendliche Geschichte im Kino gesehen hatten. Sie hieß Morla. Frieda dachte, dass ihre Schildkröte mit dem Namen vielleicht auch so cool niesen könnte wie die Uralte Morla im Film mit ihrer Jugend-Allergie. Tatsächlich nieste Friedas Morla nicht nur nicht, sie bewegte sich auch kaum. Mitte November stellte das Tier dann sogar die Nahrungsaufnahme ein und zog sich komplett in sich selbst zurück.

„Morla ist tot!“, heulte Frieda wütend. „Dabei hat der blöde Onkel in der Zoohandlung gesagt, dass Schildkröten hundert Jahre alt werden.“ Mich wunderte das nicht besonders. Mir hatte der dicke Onkel im Zooladen schon einen Wellensittich verkauft, der überhaupt nicht sprechen konnte. „Vielleicht war sie einfach wirklich schon sehr alt“, versuchte ich Frieda zu trösten.

Ich mag es kaum hinschreiben, aber es stimmt tatsächlich. Wir trugen Morla zu Grabe. In einem Pappkarton mit Glitzer drauf. Wir wussten damals nicht, dass die Viecher Winterschlaf machen! Wir wollten sie eigentlich im Friedrichshain verbuddeln, aber die Erde war schon so hart gefroren, dass wir nur ein paar Zentimeter tief kamen. Vielleicht hat sie ja jemand gerettet.

Im Sommer zuvor hatte ich selbst schon ein Meerschweinchen an den Friedrichshain verloren. Es war der Nachfahre meines Wellensittichs und hörte auf den stolzen Namen Cleopatra. Weil wir dem Tier etwas frische Luft und grünes Gras gönnen wollten, nähte mir meine findige Großmutter, ein Zaumzeug für das Meerschweinchen. Ja, ein Zaumzeug! Es war aus weichem Leder mit zwei Riemen, mit zwei Schnallen, die am Hals und am Bauch des Tieres befestigt wurde.

Bruce Willis muss die Lage retten

Dann gingen wir Gassi. Im Friedrichshain. Das heißt, wir versuchten es. Aber das Meerschwein flutschte sofort aus dem Zaumzeug raus und verschwand in den Büschen. Ich war untröstlich. Frieda und ich malten sogar Flugblätter, die wir im Park verteilten. Bis in die späten Abendstunden liefen wir die grünen Hänge ab und riefen das Tier bei seinem Namen. Doch nichts zu machen, Cleopatra blieb verschwunden.

Oh je. Was für eine trauriges Ende. Das geht doch nicht. Für eine Weihnachtskolumne! Nein. Ich denke, es war so, dass Bruce Willis barfuß im Feinripp durch den Schnee gestapft ist, und beide Tiere gerettet hat, die schlafende Morla und die fliehende Cleopatra. Genau so wird es gewesen sein. So. Ich gehe mal meine Lichterkette aufhängen. Und Bridget Jones muss auch neu gestartet werden.

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