Kommentar Impfpflicht in Deutschland: Wer nicht hören will, braucht Zwang!

Mit fast religiösem Eifer wehren sich ImpfgegnerInnen gegen die Masernimpfung. Die Bundesregierung sollte endlich die Impflicht einführen.

Frau mit lackierten Fingernägeln bereitet eine Impfung vor

Die Impfpflicht. Piekst ein wenig, hilft aber Foto: dpa

Es gibt zu viele gute Argumente für eine Impflicht, um sie zu ignorieren. Gut, dass dies nun auch die SPD-Familienministerin erkannt hat. Die Bundesregierung sollte sich endlich ein Herz fassen und alle Eltern dazu verpflichten, ihre Kinder gegen Masern impfen zu lassen. Schließlich geht es ja gerade nicht um eine harmlose Kinderkrankheit, wie es oft heißt. Sondern um eine hochansteckende, potenziell lebensbedrohliche Virusinfektion. Impfungen, so einfach ist es, verhindern Todesfälle.

Die Empfehlungen der Wissenschaft sind glasklar: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das Ziel ausgegeben, die Masern auszurotten. Sie fordert die Staaten seit Jahren dazu auf, ihre Impfraten zu erhöhen – mit mäßigem Erfolg. Erst im Januar berichtete die WHO, dass die Zahl der Masernfälle 2017 weltweit um knapp ein Drittel im Vergleich zum Vorjahr angestiegen sei. Allein 2017 starben 110.000 Menschen an den Masern, meist Kinder unter fünf Jahren. Selbst in Europa kamen Dutzende ums Leben. Die WHO hat die Vermeidung von Impfungen nun in ihre Liste globaler Gesundheitsbedrohungen aufgenommen.

ImpfgegnerInnen, die sich mit fast religiösem Eifer gegen die Spritze wehren, handeln deshalb verantwortungslos. Eine Impfung schützt ja nicht nur das eigene Kind, sondern auch all die Menschen, die keinen Schutz haben – zum Beispiel Säuglinge. Es geht nicht nur um eine persönliche Entscheidung oder um Selbstbestimmung, wie es die KritikerInnen suggerieren. Der Verzicht auf die Impfung gefährdet andere. Interessanterweise haben ImpfgegnerInnen umgekehrt kein Problem damit, vom Impfschutz anderer zu profitieren, der eine Mauer zwischen sie und dem Erreger zieht.

Keine Frage, die Koalition bräuchte etwas Mut. Die ImpfgegnerInnen-Szene ist in Deutschland gut organisiert. Sie tauscht im Internet krude Argumente aus, bei denen wissenschaftliche Evidenz wenig zählt. Da werden Anekdoten zu allgemeingültigen Fakten erhoben („Oma haben die Masern auch nicht geschadet!“) oder längst widerlegte Mythen erzählt, etwa der, dass Impfungen Autismus verursachten. Manchmal haben liebende Eltern auch nur das ungute Gefühl, dass der Piks mit der Nadel den wertvollen Nachwuchs traumatisiert. Solche Affekte sind vielleicht menschlich, aber rational oder gemeinwohlorientiert sind sie nicht.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte betont, dass die meisten Eltern ihr Kind nach entsprechender Aufklärung impfen ließen. Die wenigen Uneinsichtigen müssten durch ein Gesetz bewegt werden, ihre Kinder vor Schäden zu bewahren. Die ÄrztInnen haben recht.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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