Kommentar Inklusives Wahlrecht: Die Politik muss sich öffnen

Gut, dass Menschen mit Behinderung wählen können. Aber das reicht nicht, sagt Christian Specht, Vorstandsmitglied der Lebenshilfe Berlin.

Viele bunte Menschen tragen als Säulen ein antikes Gebäude

Die Säulen der Gesellschaft sind bunt und vielfältig Foto: imago-images/ikon images

Ich finde es gut, was das Bundesverfassungsgericht entschieden hat: Jetzt dürfen Menschen mit Behinderung, die bisher von der Beteiligung an Wahlen ausgeschlossen waren, schon bei der nächsten Europawahl am 26. Mai in Deutschland mitwählen. Das hat viel zu lange gedauert, und es ist gut, dass es jetzt endlich geht.

Aber es ist zu wenig! Es müsste möglich sein, dass Menschen mit Behinderung sich noch viel mehr in die Politik einmischen können. Es wäre gut, wenn sie sich auch für Listen von Parteien aufstellen lassen können – auch das für Menschen mit Behinderung nicht einfach. Sie müssen sichtbar sein für die Öffentlichkeit – so wie ich. Ich will jetzt hier in Berlin ein Behindertenparlament aufbauen, so wie es das schon in Bremen gibt. Es ist dort aus dem Arbeitskreis Bremer Protest entstanden. Menschen mit und ohne Behinderung treffen sich da einmal im Jahr und reden zum Beispiel über das Krisentelefon, das dort nicht rund um die Uhr besetzt ist. Sie stellen dann Anträge an das Bremer Parlament.

Die Politik muss sich ganz allgemein mehr öffnen für Menschen mit Behinderung. Da passiert noch viel zu wenig. Das liegt daran, dass manche in den Parteien das nicht wollen, weil sie immer noch Berührungsängste haben. Aber ein großes Problem ist, dass Menschen mit Beeinträchtigung, die sich politisch beteiligen wollen, oft eine Assistenz brauchen. Die will natürlich bezahlt werden, und das kostet viel Geld.

Wenn aber erst mal eine kleine Gruppe anfängt, sich mehr einzumischen, zum Beispiel eine eigene Partei gründet, dann fänden sicher mehr Menschen mit Behinderung den Mut, das eben auch zu tun. Um eine Partei zu gründen, braucht man aber sehr viele Leute. Und man weiß nicht, wie die anderen Parteien damit umgehen würden. Ich finde es außerdem wichtig, dass Menschen mit Behinderung im Rundfunkrat vertreten sind. Und zwar ohne die Unterstützung durch eine der anderen Parteien. Jetzt kommt aber erst einmal die Europawahl. Wen ich da wähle, weiß ich noch nicht.

Protokoll: Ariane Lemme

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Jahrgang 1969, ist politisch engagiert und setzt sich   für mehr Mitwirkungsmöglichkeiten von Menschen mit Beeinträchtigung in   den Medien ein. Seit 2017 ist er der erste Mensch mit Beeinträchtigung   im Vorstand der Lebenshilfe. Er hat ein Büro in der taz und zeichnet   (un)regelmäßig den „Specht der Woche”. Mehr von Christan Specht gibt es   auf seiner Homepage (s. Button).

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