Kommentar Islamophobie bei „Bild“: Intellekt und Verlogenheit

Kommentare wie den von Nicolaus Fest gibt es auch in anderen Zeitungen zu lesen. Nur sind sie eleganter formuliert und intellektuell verbrämt.

Hätte Diekmann sich auch distanziert, wenn es Wulff nicht gegeben hätte? Bild: dpa

Schön, dass sich der Herausgeber der Bild-Gruppe von einem islamfeindlichen Kommentar eines Untergebenen distanziert hat. Ob er das auch ohne Christian Wulff getan hätte, weiß man nicht, aber es gibt gute Gründe, das zu bezweifeln. Der frühere Bundespräsident behauptet bekanntlich, die Bild habe eine Kampagne gegen ihn begonnen, nachdem er gesagt hatte, der Islam gehöre zu Deutschland. Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung brauchte Kai Diekmann den Kommentar in der Bild am Sonntag so nötig wie Masern. Er dürfte sich geärgert haben. Es sei dahingestellt, ob über den Inhalt oder über den Zeitpunkt der Veröffentlichung.

Wichtiger – und interessanter – als strategische Spielchen in diesem Zusammenhang ist die Frage, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass der Text erschienen ist. Vermutlich weiß der Autor gerade gar nicht, wie ihm geschieht und was da plötzlich über ihn hereinbricht. Er dürfte sich durchaus auf der sicheren Seite gewähnt und geglaubt haben, dass er im Kern doch nichts anderes geschrieben hat als Kolleginnen und Kollegen anderer Medien. Nur eben etwas deutlicher. Damit hätte er recht.

In der FAZ sind ähnliche Behauptungen wie jetzt im Kommentar der Bild-Zeitung regelmäßig zu lesen, nur eleganter formuliert und intellektuell verbrämt. Gerade erst stand im Feuilleton der Süddeutschen, die arabische Welt sei „vollends gescheitert“ und merke „an sich selbst“, dass sie „die zivilisatorischen Standards einer westlichen Demokratie nicht erreichen“ könne. In TV-Privatsendern scheint es sich sogar in einigen Nachrichtenredaktionen noch nicht herumgesprochen zu haben, dass Islamisten kein Synonym für Muslime ist. Übrigens auch nicht für demonstrierende Muslime.

Apropos Demonstrationen: Gegenwärtig gibt es redliche Bemühungen um eine Unterscheidung zwischen antisemitischen und antiisraelischen Parolen. Die einen gelten – zu Recht – als widerwärtig, die anderen – ebenfalls zu Recht – als gedeckt von der Meinungsfreiheit. Das Problem: Es scheint kaum jemandem aufzufallen, dass hier ein Gegensatz konstruiert wird, um den es gar nicht geht. Wer gegen das Gefangenenlager Guantánamo demonstriert, legt damit keine antiamerikanische Haltung an den Tag. Und wer gegen Kriegsverbrechen im Gazastreifen demonstriert, muss nicht antiisraelisch sein. Sie oder er kann auch einfach gegen Kriegsverbrechen sein. Egal wer sie verübt.

Wer beim Wort „Kriegsverbrechen“ den Atem anhält und findet, das Wort dürfe im Zusammenhang mit Israel nicht benutzt werden – schließlich gehe es hier ausschließlich um Selbstverteidigung –, dem sei gesagt: Doch, das Wort muss immer dann benutzt werden, wenn Kriegsverbrechen stattfinden. Was die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay im Zusammenhang mit dem Gaza-Konflikt für sehr wahrscheinlich hält.

Wem es ernst ist mit dem Kampf gegen Rassismus, für Meinungsfreiheit, gegen Diskriminierung, muss vor allem für eines kämpfen: dass die Standards, die in der UN-Menschenrechtscharta und im Völkerrecht verankert sind, für alle gelten. Ohne Ansehen der Person, der Religion, der Staatsangehörigkeit, der Bündnisinteressen. Das wäre ein großer Schritt nach vorn.

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Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

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