Kommentar Klimaschutz: Nur die Bäume wissen, wie's geht

Fotosynthese können Menschen nicht nachahmen. Umso wichtiger ist es, den Klimaschutz voranzutreiben. Zum Beispiel, indem man Bäume pflanzt.

Blick von unten in das Laub eines Baumes

Der kann was, was Menschen nicht können – nämlich Fotosynthese Foto: David Vig/Unsplash

Flüge zum Mars soll es bald geben, und an der menschlichen DNA wird herumgeschraubt. Die Antimaterie wurde gefunden, Sexroboter mit künstlicher Intelligenz drängen auf den Markt, und „Organschweine“ auch – Tiere also, gezüchtet, um mit ihren Organen menschliche Organe zu ersetzen. Nur das, was Bäume können – das kann der Mensch nicht wirklich, zumindest nicht im großen Stil: Kohlendioxid mit Hilfe von Sonnenlicht in Glucose und Sauerstoff umwandeln. Der Prozess heißt Fotosynthese. Durch ihn wurde Leben auf der Erde erst möglich.

So eine Fotosynthese in großem Stil wäre jetzt aber nötig. Denn dass zu viel Kohlendioxid da ist, und dass das Schlimmes anrichten kann – Dürren, Überflutungen, Feuersbrünste, Orkane, Fischsterben –, das müsste inzwischen selbst den „Klimaskeptikern“ im Land klar sein. Selbst sie schwitzen und hoffen auf Kühlung. Dass der Klimawandel zudem Hungersnöte und untergegangene Inseln, abschmelzende Polkappen und Gletscher, Versteppungen und soziale Verwüstungen im Angebot hat, mag die Leute, die sich nur ums Eigene kümmern, weniger stören. Warum? Weil das anderswo stattfindet. Glauben sie.

Neben aller Erkenntnis, die dieser Sommer bietet, hat die Dürre möglicherweise einen positiven Zug: Nun nämlich sind auch Leute dem Extremwetter ausgeliefert, die sich sonst einen Dreck um Jahreszeiten und Niederschlagsmengen scheren. War es ihnen zu kalt, sind sie ins Warme geflogen. Ist es ihnen jetzt zu warm, werden sie erst Island massentouristisch erobern, dann den Südpol.

Aber Zynismus nutzt nichts, denn wer um die Zusammenhänge weiß, ist einem Gefühl der Ohnmacht ausgesetzt. Nur wird das lieber abgewehrt. Die Besorgten werden Vegetarier und verzichten vielleicht fortan aufs Auto. „Kleinkram, das bringt doch nichts“, meinen hingegen die anderen – und verzichten auf nichts. So sehr die Verantwortungslosigkeit Letzterer zu kritisieren ist, da ist auch was dran an dem, was sie sagen.

Das Gefühl der Ohnmacht steigt ins Unermessliche

Denn das Problem ist mittlerweile immens, aber die industrielle Fotosynthese in großem Stil, die das Kohlendioxid umwandeln könnte, gibt es nicht. Nur die Bäume wissen, wie’s geht. Diese aber werden eher abgeholzt, weil sie im Weg stehen oder für den Profit gebraucht werden. Wer das unmöglich findet, macht in seiner Ohnmacht drei Eimer Wasser voll und gießt den nächsten Straßenbaum.

Jetzt haben Wissenschaftler diesen Sommer auch wieder betont, was sie schon seit Jahren vermuten, dass selbst eine Erwärmung um 2 Grad, wie im Pariser Klimaabkommen 2015 als Höchstwert vereinbart, unkontrollierbare Kettenreaktionen auslösen könnte, die das Auftauen der Permafrostböden und das Abschmelzen der Pole nicht stoppt. Selbst einen Meeresspiegelanstieg von bis zu 60 Metern halten Wissenschaftler in den schlimmsten Szenarien nicht für unmöglich. Nachrichten, die das Gefühl der Ohnmacht ins Unermessliche steigern.

Denn Stand der Dinge ist: Das, was den Klimakollaps durch eine technische Lösung verhindern könnte, ist nicht bekannt oder technisch nicht möglich. Sonnensegel vor die Sonne hängen, künstlich Aerosole in die Atmosphäre pumpen – das sind Ideen, die mit so vielen Nachteilen verbunden sind, dass Forscher und Forscherinnen warnen, man solle die Finger davon lassen.

Sofortmaßnahmen aber, die die Klimaerwärmung verlangsamen könnten, werden von der Politik nicht umgesetzt. Sofort etwa müsste damit aufgehört werden, Kohle zu verstromen. Sofort müssten Geschwindigkeitsbegrenzungen auf allen Straßen gelten. Sofort müssten Inlandsflüge verboten werden, müsste Kerosin- und Mehrwertsteuer auf Auslandsflüge erhoben werden. Sofort müsste die Industrie für ihren CO2-Ausstoß stärker zur Kasse gebeten werden. Sofort müsste die Landwirtschaft auf umweltverträgliche Bewirtschaftung umschwenken.

Allein, die Bundesregierung unternimmt nichts. Lobbyismus der Flugbranche, der Kohle-, Auto- und Agroindustrie verhindern es. Immerhin, ein Lichtblick, die Ökonomen sind besorgt. Die Rückversicherer wollen Kohlekraftwerke nicht mehr versichern. Selbst im Risikobericht des Weltwirtschaftsforums steht, dass Wetterextreme neuerdings das größte ökonomische Risiko seien.

Aggression wäre angesagt

Dass aber nicht getan wird, was sofort getan werden muss, lässt die Klimabesorgten erst recht ihre Hilflosigkeit spüren. Denn die Verantwortung für die Zerstörung des Planeten bleibt damit individualisiert. Möglicherweise essen die Leute, die es unverantwortlich finden, wie mit der Erde umgegangen wird, deshalb noch weniger. Sie gehen in die Regression, wo Aggression angesagt wäre.

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Großes Problem, große Aktion – so müsste die Devise heißen. Über das Machbare hinaus muss gedacht werden, damit das Machbare gemacht wird. Die Untätigkeit der Bundesregierung monierte neulich etwa auch Ramona Pop von den Grünen, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe von Berlin. In Berlin werde nun immerhin Wasser auf die Straßen geschüttet, das kühle, sagt sie im Tagesspiegel. Das ist jetzt zugespitzt, aber deutlich wird bei ihrem Statement, dass alle anderen Maßnahmen gegen den Klimawandel in der politbürokratischen Schleife hängen.

In Berlin – wie auch in anderen Kommunen – wäre jedoch mehr möglich, außer der Förderung von Fahrradwegen, von effizienterem Wassermanagement und Appellen an den Bund, auch Mieter an Solarprogrammen zu beteiligen. So wäre ein Zulassungsstopp für Wagen mit Verbrennungsmotor denkbar. 1,2 Millionen Autos sind in Berlin laut Kraftfahrt-Bundesamt zugelassen – die meisten fahren mit Benzin oder Diesel. Jedes Jahr nimmt ihre Zahl zu anstatt ab. Und selbstverständlich wird davon ausgegangen, dass es für jedes Fahrzeug jederzeit einen Parkplatz in der Stadt gibt.

Warum legen Kommunen keine Obergrenze für Zulassungen fest? Warum sagen sie nicht, dass etwa nicht mehr Autos zugelassen werden als beispielsweise ein Drittel der Bevölkerung.

Zulassungsbegrenzung per Volksentscheid

Nun, keine Regierung wird das tun. Der Aufschrei. Konsumfreiheit, Bewegungsfreiheit und alle möglichen anderen Freiheiten seien in Gefahr. Wie aber wäre es dann, diese Forderung nach Zulassungsbegrenzung per Volksentscheid zu stellen? Könnte sein, dass ein breites Bündnis dafür ist, die meisten haben doch ihr Auto schon.

Die Politiker wären aus dem Schneider, die Menschen, die sich der Tatenlosigkeit der Politik ausgesetzt sehen, könnten handeln. Selbst wenn sich eine Mehrheit gegen die Begrenzung ausspricht, wäre eine breite Diskussion angestoßen. Das ist jetzt noch nicht sehr groß gedacht. Aber schon größer als bisher, wo die Verantwortung für den Klimawandel weitestgehend bei jeden Einzelnen hängen bleibt.

Noch weit größer zu denken, ist ebenfalls möglich. So etwa: Weil es die technische Fotosynthese in großem Stil nicht gibt, muss es die Natur richten. Bäume müssen gepflanzt, die Wüsten müssen begrünt werden. Wie? Mit entsalztem Wasser der steigenden Meeresspiegel. Dass das ginge und viel fürs Klima brächte, wären die Sahara und die australische Wüste bewaldet, haben Wissenschaftler des Earth Institute der Columbia University und des Goddard Institute der Nasa schon vor zehn Jahren berechnet.

Auch das allein würde das Problem nicht lösen, aber so würde der Atmosphäre zumindest zu einem größeren Teil als bisher das CO2 entzogen, das die Menschen derzeit produzieren. Dass es praktisch möglich ist, Wüstengebiete zu bewalden, hat Israel in den 70 Jahren seines Bestehens vorgemacht. Los also, an die Arbeit! Die Zukunft beginnt jetzt.

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Seit 2002 bei der taz, erst im Lokalteil, jetzt in der Wochentaz. 2005 mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet für die Reportage „Schön ist das nicht“, 2011 wurde die Reportage „Die Extraklasse“  mehrfach prämiert. 2021 erschien ihr Roman "Brombeerkind" im Ulrike Helmer Verlag. Es ist ein Hoffnungsroman. Mehr unter: www.waltraud-schwab.de . Auch auf Twitter. Und auf Instagram unter: wa_wab.un_art

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