Kommentar Leitkultur-Debatte der CSU: Und ewig grüßt der Christkindlmarkt

Leitkultur steht zwar mehrfach im CSU-Programm, nicht aber, was damit gemeint ist. Und wegen Schweinebraten muss man die Verfassung nicht ändern.

Zwei gruselig maskierte mit gehörnten Masken auf dem Christkindlmarkt in München

Deutsche Leitkultur? Ach nee, nur der Christkindlmarkt in München Foto: ap

Sollte irgend jemand gehofft haben, die CSU würde doch noch damit rausrücken, was sie mit dem ominösen Begriff der Leitkultur genau meint, so wurde er beim Parteitag in München endgültig enttäuscht. Dabei hatte die Partei schon Anfang des Jahres großspurig gefordert, eben jene Leitkultur müsse unbedingt in die bayerische Verfassung. Offenbar ohne zu wissen, was darunter zu verstehen ist. Genauso gut hätte sie fordern können, die bayerische Wrdlbrmpfdigkeit in die Verfassung aufzunehmen.

Dann hieß es: November. Auf dem Parteitag würde man das neue Grundsatzprogramm vorstellen und darin die Leitkultur erklären. Von wegen. Der Begriff steht zwar mehrfach im Programm. Aber eine Definition? Fehlanzeige. Stattdessen bringt die Partei ein paar Beispiele, die man schon von der Debatte um ein von der CSU gefordertes Integrationsgesetz kennt: Zuwanderer dürften Frauen nicht den Handschlag verweigern, sie müssten akzeptieren, dass man hierzulande Schweinefleisch isst. Und die Christkindlmärkte dürften nicht in Winterfeste umbenannt werden.

Soll Bayern allen Ernstes seine Verfassung ändern, weil Seehofer und seine Leute Angst davor haben, zugewanderte Muslime könnten ihnen Schweinsbraten und Glühwein verbieten? Mit Verlaub: Das ist lächerlich. In Wirklichkeit will die Partei gar keine Wertedebatte oder eine Diskussion darüber, was unsere Gesellschaft zusammenhält. Es geht ihr schlicht um einen Kampfbegriff, den sie gegen die gefürchtete multikulturelle Gesellschaft auffahren kann. Was unter Multikulti zu verstehen ist, weiß die CSU interessanterweise ganz genau: Parallelgesellschaften und Ghettos. Ein Neben- und Gegeneinander der Kulturen.

Natürlich ist das Schwadronieren über die Leitkultur – allen entgegengesetzten Beteuerungen zum Trotz – eine nur mittelsubtile Pauschalverdächtigung vor allem der muslimischen Flüchtlinge und Zuwanderer. Wer hofft, auf diese Weise die vermeintlichen Patrioten und selbsternannten Retter des Abendlandes in die Arme der CSU zurückholen zu können, treibt ein gefährliches Spiel. Wer Grundgesetz und bayerische Verfassung ernst nimmt, braucht keine Leitkultur. Im Giftschrank der Schwesterpartei war die Leitkultur deshalb gut aufgehoben. Und dort sollte die CSU sie nun schnell wieder verschwinden lassen. Den Schlüssel hat sie hoffentlich noch.

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Jahrgang 1971. Seit 2015 Bayernkorrespondent der taz. Davor unter anderem zehn Jahre Redakteur und Ressortleiter bei "Spiegel Online", seit 2009 frei. Mitglied des Journalistennetzwerks beschreiber.de.

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