Kommentar Linkspartei und ihre Führung: Revolte aus Verlegenheit

Die Linkspartei braucht eine Führung, die Streit moderieren kann und Autorität hat. Das Duo Schwabedissen/Kipping wäre ein Zeichen für eine Neuerfindung.

Auf einmal geht alles schnell, verdächtig schnell. Vor drei Tagen war eine weibliche Doppelspitze mit Katja Kipping und Katharina Schwabedissen nicht mehr als eine Art Notlösung. Ein Plan B nur für den Fall, dass bei der Schulhofschlägerei der Jungs das Parteimobiliar zu Bruch gehen sollte. Und nun scheint vieles auf dieses Duo hinauszulaufen. Denn die Linkspartei wirkt zwar nach außen so, als würde dort eine Art interner Bandenkrieg herrschen. Doch sie hat auch eine andere Seite – sie sehnt sich, vor allem im Osten, nach Harmonie. Das hart umkämpfte Parteiprogramm fanden am Ende 97 Prozent der Genossen prima.

Auf Parteitagen ist man fast immer sehr nett zueinander: Die Linkspartei ist eine ordentliche Organisation. Sie neigt wie fast alle sozialdemokratischen Parteien zum Ausgleich. Diese Mentalität kann nun Kipping/Schwabedissen, die sich als dritter Weg präsentieren, an die Parteispitze spülen – während Dietmar Bartsch mit Lafontaines Rückzug im Orkus verschwindet. Ein letzter, dummer Sieg der Lafontaine-Fraktion.

Allerdings wäre das Duo Schwabedissen/Kipping keineswegs nur ein mittlerer Weg. Es wäre ein Zeichen für eine Neuerfindung der Partei. Dieses Führungsduo wäre nicht nur weiblich und jung, sondern auch viel stärker an außerparlamentarischen Bewegungen, an Arbeitsloseninitiativen und dem Prekariat orientiert als je zuvor. Diese Linkspartei wäre im besten Falle in der Lage, den Piraten wieder Wähler abspenstig zu machen.

Was misstrauisch macht, ist, wie schroff dieser Signalwechsel wäre. Größer könnte die Differenz zu dem Duo aus dem Westgewerkschafter Klaus Ernst und der Alt-PDSlerin Gesine Lötzsch kaum sein. Für die Linkspartei, die vor allem im Westen männlich, gewerkschaftlich und grauhaarig ist, wäre diese Führung eine Kulturrevolution. Aber eine, die aus Verlegenheit geboren wurde.

Katharina Schwabedissen hat in NRW gerade eine Wahl verloren. Katja Kipping will ein bedingungsloses Grundeinkommen und beißt damit seit Jahren beim Gewerkschaftsflügel auf Granit. Schwabedissen/Kipping als Führung, das wäre so, als würden die Piraten basisdemokratisch den DGB führen wollen. Die Linkspartei braucht, gerade nach dem merkwürdig Fast-Showdown, nun eine Führung, die Streit moderieren kann und Autorität hat. Ist die Linkspartei reif für diese neue Spitze?

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Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.

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