Kommentar Miete und Wohneigentum: Die deutsche Schockstrategie

Nachdem die Immobilienlobby die Mieten nach oben getrieben hat, fordert sie nun Subventionen, damit sie auch Ärmeren Wohnungen verkaufen kann.

Mehrere Wohnblöcke

Warum nicht nach Cottbus? Hier gibt es noch Wohnungen für alle, denen Berlin zu teuer ist Foto: reuters

Naomi Klein hat für ihr Buch „Die Schock-Strategie“ viel Kritik einstecken müssen. Die Kanadierin vertritt darin die These, dass der neoliberale Kapitalismus Krisen geradezu herbeiführt, um weitere wirtschaftsliberale Reformen als Ausweg verkaufen und durchsetzen zu können. Sicher muss man darüber streiten, ob ihr Buch zu verschwörungstheoretisch angelegt ist, ob sie also Absicht hinter Krisen vermutet, die durch Unvermögen entstanden sind.

Die Pressekonferenz mehrerer Lobbyverbände am Mittwoch bewies aber, wie auch die deutsche Wohnungskrise von der Bauwirtschaft dazu genutzt wird, weitere Reformen in ihrem Sinne zu fordern – und plausibel erscheinen zu lassen. Seit Langem klagt die Immobilienlobby darüber, dass die Eigentumsquote im Mieterland Deutschland zu niedrig sei. Denn die Errichtung von Eigentumswohnungen bietet im Vergleich zu Mietwohnungen für Immobilienfirmen zwei Vorteile: Erstens ist die Rendite schneller drin, zweitens wird das Risiko auf den Käufer verlagert.

Für viele Mieter sind Mietwohnungen attraktiver als Eigentum, solange die Miete in einem vernünftigen Verhältnis zum eigenen Einkommen steht. Erst die Kombination aus Rentenkürzungen, Niedriglöhnen und hohen Mietsteigerungen in den letzten 15 Jahren lassen viele Mieter jetzt über den Erwerb von Eigentum vor allem als Sicherheit für das Alter nachdenken. Das Problem: Aufgrund ebenjener niedrigen Löhne und Renten reicht das Geld auch für das Kaufen nicht.

Deshalb fordert nun ein Teil der Immobilienlobby mehr staatliche Subventionen für Wohnungskauf durch Niedrigverdiener. Weil selbst dann das Geld nur für eine Wohnung in Städten wie Gelsenkirchen reichte, würde die Wohnungswirtschaft damit auch gleich ihr Leerstandsproblem in solchen Regionen lösen. Dabei kann sie auf die Zeit spielen: Je länger die Union vernünftige Lösungen in der Wohnungsfrage blockiert, desto attraktiver wird es, der Immobilienlobby noch mehr Geld hinterherzuwerfen.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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