Kommentar Nabucco-Pipeline: Ab jetzt schweigt der Gefangenenchor

Das größte europäische Infrastrukturprojekt, eine gigantische Gaspipeline, ist gescheitert. Russland hat gewonnen. Damit bleibt Europa in absoluter Abhängigkeit vom Gasprom.

Europa schaut an diesem Samstag nach Aserbaidschan. Der Eurovision Contest und die Frage nach den Menschenrechten in dem Land am Kaspischen Meer bestimmen die Berichterstattung. Dabei geht völlig unter, dass in diesen Tagen in Baku eine für Europa viel gravierendere Entscheidung gefallen ist, als die, wer die Sängerkrone des Kontinents trägt.

Es geht um die wirklichen Schätze Aserbaidschans, um das Öl und Gas aus dem Kaspischen Meer und wer davon profitiert. Es geht um das größte Infrastrukturprojekt Europas, eine gigantischen Gaspipline, die von Baku bis Wien führen sollte um Europa aus der Geiselhaft der russischen Gazprom zu befreien, indem man an Russland, aber auch an Iran vorbei, Gas nach Westeuropa führt.

Nach dem berühmten Gefangenenchor aus der Verdi Oper „Nabucco“ erhielt das Projekt seinen Namen, doch jetzt steht de facto fest, dass die Befreiung aus russischer Haft misslungen ist. Nabucco hatte seit Jahren geschwächelt, einmal weil die Pipline sehr teuer ist, vor allem aber, weil nie ganz klar war, wie sie eigentlich gefüllt werden soll.

Einzig Aserbaidschan schien bereit, einen Teil der Kapazität zu stellen, doch von Turkmenistan, von wo der Hauptanteil kommen sollte, gab es nie eine Verbindliche Zusage. Das hatte Russland mit einer Mischung aus Drohungen und finanziellen Anreizen gegenüber dem turkmenischen Autokraten Gurbanguly Berdymuchammedow immer zu verhindern gewusst.

Jetzt hat ausgerechnet der britische Weltkonzern BP Nabucco den Todesstoß versetzt. BP führt das Konsortium aus mehreren Konzernen an, die das größte aserbeidschanische Gasfeld „Shah Deniz“ ausbeuten und von dem der aserische Beitrag zu Nabucco kommen sollte. BP hat jetzt klar gemacht, dass Nabucco für sie keine Option mehr ist. Viel zu teuer, weil für die zur Verfügung stehende Gasmenge viel zu groß.

Die Entscheidung für den Bau liegt zwar immer noch in Brüssel und bei den Hauptanteilseignern, der deutschen RWE und der österreichischen OMV, doch ohne Zusagen von Lieferanten braucht man keine Pipline zu bauen. Statt weiter auf den Gefangenenchor zu lauschen sollten die deutschen Verantwortlichen sich jetzt lieber ernsthaft auf den Ausbau der alternativen Energien konzentrieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.