Kommentar Neuwahl in Katalonien: Brüssel, wir haben ein Problem

Die Separatisten haben die Mehrheit im katalanischen Parlament. Wird die Region jetzt zwangsverwaltet? Die EU muss einschreiten.

Menschen mit Katalonienflagge und Sektgläsern

Anstoßen auf eine ungewisse Zukunft: Katalaninnen feiern den Wahlausgang Foto: ap

Egal wie man es dreht und wendet: Die katalanische Unabhängigkeitsbewegung hat die Wahlen gewonnen. Darüber kann auch der berechtigte Freudentaumel bei den rechtsliberalen Ciudadanos nicht hinwegtäuschen. Sicher, die Partei von Inés Arrimadas ist am Donnerstag stärkste Kraft in Katalonien geworden. Sie hat wie keine andere diejenigen erreicht, die für die bedingungslose Einheit Spaniens eintreten. Doch die drei Kräfte, die den abgesetzten Regierungschef Carles Puigdemont unterstützten, haben erneut die Mehrheit im Autonomieparlament.

Sie werden sie nutzen, um den vor Strafverfolgung nach Brüssel Geflohenen erneut ins Amt zu wählen. Und Puigdemont wird darauf bestehen, in den Palast der Autonomieregierung Generalitat in Barcelona zurückzukehren.

Bisher droht ihm sofortige Verhaftung wegen des trotz Verbots abgehaltenen Unabhängigkeitsreferendums und der Ausrufung der Katalanischen Republik. „Rebellion“, „Aufstand“ und „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ sei dies gewesen, so die Justiz. Puigdemont, seiner abgesetzten Regierung, dem Präsidium des alten Parlaments und zwei Aktivisten drohen bis zu 55 Jahre Haft. Mehrere von ihnen wurden am Donnerstag als Volksvertreter gewählt.

Für den in Madrid regierenden Konservativen Mariano Rajoy ist das keine leichte Situation. Er hat Katalonien unter Zwangsverwaltung gestellt, Puigdemont des Amtes enthoben, die Strafverfolgung der katalanischen Politiker gefördert, das Parlament aufgelöst und Neuwahlen angesetzt. Damit dann alles bleibt, wie es war?

Wird Katalonien eine ewig gegängelte Region bleiben, mit einem Ministerpräsidenten Puigdemont hinter Gittern?

Rajoy kündigte bereits vor dem gestrigen Urnengang an, im Falle eines Wahlsieges der Unabhängigkeitsbefürworter die Anwendung des Verfassungsartikels 155 zumindest teilweise aufrecht erhalten zu wollen. Das würde die Zwangsverwaltung Kataloniens durch die Zentralregierung bedeuten.

Katalonien als eine ewig gegängelte Region also, in der Madrid jederzeit ein Veto gegen Parlamentsentscheidungen einlegen oder die katalanische Volksvertretung Kataloniens zu jedem Zeitpunkt auflösen kann? Oder gar ein Ministerpräsident Puigdemont hinter Gittern?

Einen solchen Raum ohne Demokratie kann und darf es in der Europäischen Union nicht geben. Es ist an der Zeit, dass Brüssel nicht länger wegschaut. Die EU muss jetzt einschreiten. Sie kann Rajoy nicht länger bedingungslos unterstützen. Spanien und Katalonien brauchen keine neuen Kraftproben und Zwangsmaßnahmen, sondern: Dialog. Die EU muss diesen vermitteln.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.