Kommentar Numerus Clausus: Nach dem Turbo-Schwachsinn

Vor den Unis stauen sich die BewerberInnen für die beliebten Fächer. Dabei ist es viel zu früh, sich schon mit 18 für ein Studienfach entscheiden zu müssen.

Alternativen zur Uni: Freiwilligendienst, hier bei einer Ausgrabung in Brandenburg. Bild: dpa

Es ist eine der Absurditäten im Bildungssystem, dass hiesige SchülerInnen das Abitur so schnell wie möglich machen sollen, am besten nach 12 Jahren – und dass genau dieses Turboabitur dann für ungewollte Entschleunigung sorgt. Auch in diesem Jahr werden Zehntausende von Abiturienten vor hohen Anforderungen des Numerus clausus stehen und darüber nachdenken, wie sie die Zeit herumkriegen beim Warten auf den begehrten Studienplatz.

Klar gibt es Fächer mit niedrigeren Hürden, aber nicht jedeR kann und will Mechatronik in Ingolstadt studieren. Stattdessen stehen neben Medizin und Jura Biologie, Psychologie und Betriebswirtschaftslehre oben auf der Wunschliste der Abiturienten, am liebsten in einer partylastigen Metropole.

Genau diese Vorlieben verdeutlichen das Problem: Mit 18 Jahren sucht man zwar seine Identität, aber nicht unbedingt einen Beruf, den man dann bis zum 67. Lebensjahr ausüben soll. Dafür ist es eine zu frühe Lebensphase. Es hat seinen Grund, warum etwa in den USA die ersten Jahre an den Colleges Basisstudiengänge angeboten werden und die Fachentscheidung erst später verlangt wird.

Die Engpässe an den Universitäten nutzen daher viele Abiturienten für eine selbstgemachte Zwischenphase, und das hat durchaus sein Gutes. Wer erst mal in Neuseeland Äpfel pflückt, im Altersheim SeniorInnen versorgt oder den Rettungssanitäter macht, verschwendet keine Zeit. Allerdings sollten sich danach in überschaubarer Zeit Bildungsperspektiven eröffnen, sonst muss die Politik mit Studienplätzen nachbessern.

Wenn der Andrang der Studienbewerber ab dem kommenden Jahr rein statistisch abnimmt, muss sich die Lage entspannen. Im besten Fall haben sich dann auch die Normen verändert: Schnell fertig zu werden, ist dann kein Zeichen von Elite mehr. Die Idee der „Turbo-Abschlüsse“ in viel zu jungen Jahren ist Schwachsinn gewesen.

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Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).

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