Kommentar Proteste gegen G20: Nie wieder Hamburg

Es war ein Gezerre zwischen staatlichem Gewaltmonopol und Versammlungsfreiheit. Man sollte die Konferenzen in New York und Brüssel stattfinden lassen.

Polizisten sitzen erschöpft am Straßenrand

Würde der G20-Gipfel in New York oder Brüssel stattfinden, müssten sich auch die armen deutschen Polizisten nicht mehr so anstrengen Foto: dpa

„In einer deutschen Großstadt wird nie wieder so ein Gipfel stattfinden“, verkündete Bundesjustizminister Maas (SPD) – und spiegelt damit ein über Hamburg hinaus verbreitetes Gefühl wider: Risiken und Belastungen für die Bevölkerung stehen in keinem Verhältnis zum Ergebnis.

Sofort schlug ihm Widerspruch entgegen: Gewalttätige Chaoten dürften nicht darüber bestimmen, wo sich Staatenlenker träfen, erregte sich Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Der Triumph der radikalen „Welcome to Hell“-Demo-Veranstalter scheint ihm recht zu geben. Auf ihrer Website brüsten sie sich: Man habe es geschafft, die „Glitzershow“ zu „beschmutzen“ und den Teilnehmer*innen die „ideologische Soße“ zu „versalzen“.

Die Frage danach, wer im Staat das Sagen hat, ist weit mehr als politische Kraftmeierei. Sie ist zentral für eine Demokratie, die sich das Gewaltmonopol des Staates ins Grundgesetz geschrieben hat – aber auch das Recht auf Versammlungsfreiheit, wozu Protest gehört. Allerdings muss dieser sich auch entfalten können. Umstrittene Gipfeltreffen in entlegenen Orten abzuhalten und von der Öffentlichkeit abzuschirmen, wie 2015 beim G7-Gipfel im bayerischen Elmau, mag aus ordnungspolitischer Sicht schlau wirken, ist aber undemokratisch. Und für die ungleich größere G20-Variante ohnehin keine Alternative. Solche Gipfel künftig nur noch in protestfreien Diktaturen abzuhalten verbietet sich.

Vieles spricht für eine pragmatische Lösung, von der dieser Tage viel zu hören ist: New York bietet als Sitz des UN-Hauptquartiers Infrastruktur und Platz genug, viele Delegationen sind rund um die Vollversammlungen schon vor Ort. Das Gleiche gilt auf europäischer Ebene für Brüssel – wieso kein Wechsel zwischen beiden Orten, der transatlantischen Ausgewogenheit wegen?

Doch „gewinnen“ dann nicht die Autonomen? Mag sein. Aber Brüssel und New York sind für diese Szene eine deutlich unattraktivere Kulisse.

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Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.

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