Kommentar Proteste in Barcelona: Gedemütigte Katalanen

Das Vorgehen Madrids gegen politisch Verantwortliche in Katalonien hat Folgen: Rajoy hat Märtyrer geschaffen – und die sollten freigelassen werden.

eine Katalonien-Fahne und viele kleine parallele Lichtstreifen

Barcelona, 11. November: So sieht die Demo in Langzeitbelichtung aus Foto: ap

Die Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien gibt sich nicht geschlagen. Nur fünf Wochen vor den durch die Madrider Regierung angesetzten Neuwahlen mobilisierten die Anhänger der Loslösung von Spanien eine beachtliche Menschenmenge auf die Straße.

Es ging um die Freiheit für die acht inhaftierten Minister der abgesetzten Autonomieregierung, zweier Aktivisten und Straffreiheit für die Mitglieder des Parlamentspräsidiums sowie derer, die sich rechtzeitig nach Brüssel abgesetzt haben. Unter ihnen der Chef der Autonomieregierung Carles Puigdemont. 750.000 Menschen kamen am Samstag nach Barcelona. Das ist rund jeder siebte Wahlberechtigte. Ein erstaunlicher Erfolg.

Die Zwangsmaßnahmen Madrids gegen die nordostspanische Region sowie das harte Vorgehen gegen die politisch Verantwortlichen haben Katalonien ganz offensichtlich nicht beruhigt. Ministerpräsident Mariano Rajoy hat politische Märtyrer geschaffen. Und das schweißt die Menschen zusammen. Längst gehen nicht mehr nur die auf die Straße, die seit Jahren die Unabhängigkeit fordern. Es kommen auch diejenigen, die einfach um die Demokratie in Katalonien und in ganz Spanien fürchten.

Die Wahlen am 21. Dezember sollen, so verspricht es Rajoy, wieder für Normalität in Katalonien sorgen. Es ist eine seltsame Definition von Normalität. Denn am 21. Dezember werden auf mehreren Listen Kandidaten stehen, die gar nicht am Wahlkampf teilnehmen können, weil sie entweder hinter Gitter sitzen oder im Ausland sind.

Wer glaubt, dass dies den Parteien schadet, die für die Unabhängigkeit eintreten, wird sich getäuscht sehen. Denn viele Katalanen empfinden das Vorgehen Madrids als Demütigung. Die Staatsanwaltschaft, die in Spanien direkt der Regierung untersteht, wäre gut beraten, wenn sie die Haftbefehle aufheben würde. Nur dann kann in so einer verfahrenen Situation überhaupt eine Wahl abgehalten werden, die auch nur im Entferntesten das Adjektiv normal verdient.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

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