Kommentar Putins Erlass zur Ostukraine: Eskalation statt Entspannung

Da Kiew keine Dokumente aus Donezk und Lugansk anerkennt, will Putin das übernehmen. Das hilft den Menschen vor Ort wenig weiter.

Menschen mit Flaggen

Demo in Kiew für die Aufhebung der Handelsbeziehungen zu den von Russland besetzten Gebieten Foto: ap

Russlands Präsident hat verfügt, dass Dokumente aus Donezk und Lugansk vorübergehend anzuerkennen sind. Auf den ersten Blick scheint dies logisch. In Kiew akzeptiert man ja nicht einmal Todesurkunden und Geburtsurkunden aus diesen Orten. Tatsächlich jedoch ist Putins Erlass für die Menschen in Lugansk und Donezk bedeutungslos. Seit einem Jahr können sie problemlos mit ihren Dokumenten nach Russland reisen, mit einem Schulabschluss in Donezk ein Studium in Russland aufnehmen. Gerade einmal ein Prozent der Bevölkerung von Donezk hat einen Pass der Volksrepublik in der Tasche.

Adressat des Putin-Erlasses ist nicht Donezk, sondern Kiew. Dort wertet man die Verordnung als Beinahe-Anerkennung der Volksrepubliken – zu Recht.

Fast zeitgleich mit dem jüngst verkündeten Waffenstillstand und inmitten der Gedenkfeierlichkeiten zum dritten Jahrestag des Maidan veröffentlicht, dürfte der Erlass mit dazu beigetragen haben, dass auch der für Montag angekündigte Waffenstillstand nicht hält. Die Kämpfe der letzten vier Wochen waren die heftigsten sei 2015. Die Aufständischen beschossen Wohngebiete in Awdiiwka, die ukrainische Armee feuerte auf Wohngebiete in Donezk. Derzeit verabschieden sich die Konfliktparteien von den sogenannten grauen Ortschaften, die als Niemandsland galten. In Awdiiwka tauchten ukrainische Panzer auf, andere Orte der grauen Zone wurden still und leise von den sogenannten Volksrepubliken übernommen.

Mit dem Verschwinden der grauen Zone steht sich nun schwere Artillerie der beiden Seiten direkt gegenüber. Bei den Konfliktparteien – und Russland ist Konfliktpartei – liegen die Nerven blank. Der Donbass braucht keine Signale der Eskalation. Wichtig wären Signale der Entspannung: eine Entflechtung der schweren Artillerie aus der grauen Zone, eine Rücknahme des Putin-Erlasses – und ein Ende der Wirtschaftsblockade von Donezk und Lugansk.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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