Kommentar Racial Profiling in Köln: „Nafris“ zählen für Anfänger

Die Kölner Polizei gibt zu, dass sie bei ihren „Nafri“-Kontrollen kaum Nordafrikaner erfasst hat. War es Inkompetenz oder Rassismus?

Auf einer beleuchteten Straße stehen Polizisten

Wer wurde hier eigentlich gezählt? Foto: dpa

Warum fuhren eigentlich so viele Nordafrikaner zu Silvester nach Köln? Um dieses Mysterium aufzuklären, hat die Kölner Polizei extra eine Sonderkommission gegründet. Die dürfte nun endlich ihre Antwort gefunden haben. Und sie lautet: Die vielen Nordafrikaner gab es nicht. Die Zahlen der Kölner Polizei zeigen nun: Von den 674 Menschen, die Silvester kontrolliert wurden, sind gerade einmal 30 aus Algerien und Marokko, also aus dem nordafrikanischen Raum. Und auch die Bundespolizei, die kurz nach Silvester von „98 Prozent“ Nordafrikanern unter 650 Kontrollierten sprach, kann gerade einmal 39 Menschen von dort präsentieren.

Der viel größere Teil derer, deren Nationalitäten bekannt sind, kamen aus dem Irak, aus Syrien, aus Deutschland und aus Afghanistan. Die Frage ist nun: Wissen deutsche Polizisten nicht, dass Bagdad, Damaskus und Kabul nicht in Afrika liegen? Oder wissen sie nicht, was Begriffe wie „viele“, „Mehrheit“ oder „98 Prozent“ bedeuten? Oder: Ist es ihnen egal? Für Menschen, die an den Rechtsstaat glauben und Vertrauen in deutsche Behörden haben, gibt es darauf keine gute Antwort. Denn entweder sind die Kölner Polizei und die Bundespolizei inkompetent oder sie sind rassistisch.

Warum soll man dieser Polizei noch vertrauen? Diese Polizei, die es vor einem Jahr nicht schaffte, sich gegen aggressive Jungmänner durchzusetzen und sexualisierte Gewalt zu verhindern; diese Polizei, die dieses Jahr die Grundrechte von Menschen mit den Füßen trat, um angeblich für Recht und Ordnung zu sorgen. Diese Polizei, die letztes Jahr von einer „ruhigen Nacht“ sprach und dieses Jahr die Eingekesselten auf Twitter ausstellte und sie als „Nafris“ (je nach Laune der Polizei kurz für „Nordafrikaner“ oder „nordafrikanische Intensivtäter“) betitelte – obwohl sie weder Intensivtäter noch Nordafrikaner waren.

Die letzten Zweifel, dass es sich bei dem, was die Polizei tat, um „Racial Profiling“ gehandelt hat, dürften nach ihrer eigenen Auswertung nun verflogen sein. Wenn Kontrollen nach „nordafrikanischen Intensivtätern“ nicht nur keine Intensivtäter zum Vorschein bringen, sondern nicht einmal Nordafrikaner und stattdessen sogar Deutsche – dann dürfte klar sein, dass die Polizei kein republikanisches Verständnis von „Deutschen“ und „Nordafrikanern“ hat, sondern ein rassistisches. Und wenn die Polizei nun sagt, sie habe 674 Menschen 2.500 Mal überprüft (also jede Person durschnittlich vier Mal) dürfte deutlich sein, dass sie entgegen ihrer Behauptungen ihr „Klientel“ nicht kennt.

Ein Fall für die Fake-News-Gruppe

Es ist nun wirklich Zeit anzuzweifeln, dass diese Kontrollen überhaupt etwas gebracht haben. Hätte ohne sie eine Wiederholung der Silvesternacht 2015 stattgefunden? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass es diese Kontrollen gab und keine Vielzahl sexueller Übergriffe. Aber Koinzidenz bedeutet nicht Kausalität. Hätte es ohne die Kontrollen die Übergriffe gegeben? Wenn die Polizei das meint, soll sie ihre Ansicht belegen und begründen. Doch je mehr Fakten zu dieser Nacht zum Vorschein kommen, desto brüchiger wird die Heldengeschichte.

Es gibt viele Fragen, die nun gestellt werden müssten. Aber wer soll sie fragen? Werden es diejenigen sein, die schnell waren, die Polizei zu Helden zu verklären, also Bundeskanzlerin Merkel, Bundesinnenminister de Maizière, NRW-Ministerpräsidentin Kraft oder NRW-Innenminister Jäger? Es wäre ihr Job, schließlich sind sie für die Polizeien verantwortlich. Vielleicht wird die Grünen-Politikerin Simone Peter sich wieder ein Herz fassen, auch wenn sie kürzlich erst dafür geteert und gefedert wurde – selbst von ihrer eigenen Partei, die sich sonst gerne für eine „Bürgerrechtspartei“ hält.

Bis die Fragen beantwortet sind, bleibt nur festzustellen, dass die Kölner Polizei Aleppo nicht von Algier und Kabul nicht von Casablanca unterscheiden kann. Ihre Pressemitteilungen wären wohl eher ein Fall für de Maizieres angedachte Fake-News-Behörde.

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Lalon Sander ist Datenjournalist. Sein Schwerpunkt liegt in der Aufbereitung von Datensätzen zum Klimawandel.

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