Kommentar Rechtspopulisten-Treffen: Gegen den vermeintlichen Feind

In Koblenz setzen Rechtspopulisten den Auftakt für das europäische Wahljahr. Es ist ihnen mehr als ernst. Und so ernst sollte man sie auch nehmen.

Marine le Pen und Geert Wilders machen ein Selfie

Die Frisur von Geert Wilders (links) ist Privatsache. Einige seiner politischen Forderungen verdienen dagegen alle Aufmerksamkeit Foto: ap

Eine Szene in der Morgendämmerung an der Polizeiabsperrung vor der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz: Zwei ältere Besucherinnen warten auf Einlass zum „Europe of Nations and Freedom“-Treffen der europäischen Rechtspopulisten. Beiläufig streift ihr Gespräch das Thema der ausgeladenen Journalisten. Nach wenigen Sekunden ist das einstimmige Urteil gefällt: „Alle gleichgeschaltet.“ So weit, so erwartbar.

In der Halle dann herrschte eine andere Morgendämmerung, die ihrerseits genauso erwartbar war: die einer nationalstaatlichen Revolution – welche, glaubt man den Protagonisten des europäischen Rechtspopulismus, kurz bevorsteht. Schwere rhetorische Geschütze wurden aufgefahren: Von Tyrannei, Befreiung und Selbstbestimmung war die Rede. Standard­elemente aus dem Propaganda-Baukasten, mit denen Marine Le Pen und Geert Wilders jonglieren, seit sie vor mehr als drei Jahren den Grundstein legten für den großen patriotischen Schulterschluss.

In diesen drei Jahren ist viel geschehen – so viel, dass man gut beraten ist, das Getöse von Koblenz sehr ernst zu nehmen. Die Neigung vieler, sich über den intellektuellen Tiefflug der Veranstaltung, die inhaltliche Vorhersehbarkeit und die dick aufgetragene Inszenierung lustig zu machen, hat hingegen keinerlei diskursiven Nutzen.

Die Frisur von Geert Wilders ist eine Nichtigkeit und darüber hinaus Privatsache. Dass Wilders, den die Umfragen zum Favoriten auf den niederländischen Wahlsieg machen, ankündigte, im Land „klar Schiff machen“ zu wollen, verdient dagegen alle Aufmerksamkeit.

Euphorie und rabiate Angriffslust

Auch wie der FPÖ-Mann Harald Vilimsky verbal auf Gegendemonstranten eindrosch, offenbart ein erschreckendes Niveau. Gleichzeitig berichtete er triumphierend, sein Chef Heinz-Christian Strache weile in Washington, um Kontakte mit der Trump-Administration aufzunehmen. Natürlich ist diese Dynamik bekannt: die AfD-Erfolge auf Landesebene, das Brexit-Referendum, die Wahl Trumps. Es ist offensichtlich, dass es ein inhaltliches Element gibt, das diese Ereignisse verbindet. Zu Recht blicken progressive Kräfte gerade mit Besorgnis auf das halbfertige Drehbuch des Jahres 2017, das Urnengänge in den Niederlanden, in Frankreich und Deutschland vorsieht.

In Koblenz erlebten die Anwesenden, welche Euphorie und rabiate Angriffslust es im Anhang von AfD und FN, PVV und FPÖ auslöst, den Wind der Geschichte in den Segeln zu wissen. Dem Zittern liberaler Kräfte steht Siegesgewissheit der Rechten gegenüber, die Marine Le Pen so ausdrückte: „Jeder von uns, der seine Ziele erreicht, gibt den anderen Hoffnung.“

Nur ein Beispiel, das diese Wechselwirkung belegt: Kurz bevor die Niederländer im Frühjahr 2016 das Assoziationsabkommen zwischen EU und Ukraine ablehnten, besuchte Nigel Farage eine Veranstaltung der Gegner dieses Vertrags, um ihnen Mut zuzusprechen. Unverhohlen äußerte Farage damals die Erwartung, ein Sieg der niederländischen EU-Gegner würde den Brexit-Befürwortern Auftrieb geben. Das Ergebnis ist bekannt.

Es dürfte im Übrigen nicht zuletzt dieser Dynamik geschuldet sein, dass die Parteien, die „Europe of Nation and Freedoms“ bilden, sich nicht etwa in gegenseitigen Konflikten verzetteln, sondern ihre Ambitionen gegen einen vermeintlichen gemeinsamen Feind zu bündeln vermögen.

Die Botschaft aus Koblenz ist deutlich: Es ist den Petrys, Wilders und Le Pens mehr als ernst. Und so ernst sollte man sie auch nehmen – mittels gründlicher Analyse. Was auch bedeutet, in ihrer Rhetorik von „erwachenden europäischen Völkern“ nicht gleich einen neuen Faschismus am Horizont zu sehen, wohl aber eine erschreckende Unempfindlichkeit gegenüber solchen Bildern.

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