Kommentar Rohingya in Birma: Opfer ihrer Retter

Nichts rechtfertigt die Vertreibung der Rohingya. Doch ihr Leid wird von Radikalen instrumentalisiert, um für die „islamistische Sache“ zu mobilisieren.

Radikale Muslime protestieren gegen die Vertreibung der Rohingya

Kofi Annan wollte den birmesischen Rohingya mehr Rechte einräumen, um eine Radikalisierung zu verhindern Foto: ap

Dass Angehörige der Rohingya zu den Waffen greifen, ist auf den ersten Blick nachvollziehbar. Die in Westbirma lebende muslimische Ethnie führte als Folge von Kolonialismus und Diktatur jahrzehntelang ein Leben in systematischer Diskriminierung und und Rechtlosigkeit. Endlich nicht mehr wehrlose Opfer sein, scheint nun das Motto einiger, die sich zu einer Miliz zusammen geschlossen haben.

Trotzdem ist der bewaffnete Kampf der selbsternannten Arakan Rohingya Salvation Army (Arsa) – lokal Harakah al-Yaqin oder Glaubensbewegung genannt – eine große Dummheit und Mitursache von hundertausendfachem Leid und Flüchtlingselend.

Denn die Überfälle der obskuren Arsa am 25. August auf birmesische Polizeiposten lieferten Birmas Militär und seinen buddhistisch-nationalistischen Handlangern den Vorwand, hunderttausende Rohingya gewaltsam nach Bangladesch zu treiben. Die Arsa-Angriffe lassen sich auch propagandistisch gut ausschlachten: Seht her, die Rohingya sind nicht Opfer, sondern Terroristen.

Arsa hat den Kampf auf Kosten der Zivilbevölkerung aufgenommen. Besonders perfide war das Timing der Angriffe, weil sie wenige Stunden nach der Vorstellung eines Berichts einer Kommission unter Vorsitz des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan erfolgten. Dessen zentrale Forderung war, den Rohingya mehr Rechte zu geben, auch um ihre Radikalisierung und eine Eskalation des Konflikts zu verhindern.

Die Angriffe lieferten den kontraproduktiven Vorwand, die Empfehlungen der Annan-Kommission zu ignorieren. Über diese spricht heute denn auch niemand mehr. Stattdessen kam es zur Eskalation, jetzt droht eine Radikalisierung einiger Rohingya.

Das Timing der Angriffe legt den Verdacht nahe, dass es in erster Linie gar nicht um die Rohingya selbst geht, sondern um deren Instrumentalisierung und womöglich um eine Mobilisierung für die „islamistische Sache“. Natürlich rechtfertigt das nicht die Vertreibung der Rohingya aus Birma. Aber sie sind jetzt leider auch Opfer ihrer selbsternannten Retter.

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Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin

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