Kommentar Schuldspruch für Pestizid: Jetzt Glyphosat-Mittel verbieten

Ein weiteres US-Gericht hat entschieden, dass das meistgebrauchte Ackergift Krebs verursachen kann. Nun muss Agrarministerin Klöckner reagieren.

Roundup-Sprayflaschen stehen in einem Ladenregal

Enthält Glyphosat: das Unkrautvernichtungsmittel „Roundup“ von Monsanto/Bayer Foto: reuters

Der Schuldspruch gegen das Pestizid Glyphosat im ersten US-Mustergerichtsverfahren ist ein schwerer Schlag für Hersteller Bayer – und Bundesagrarministerin Julia Klöckner. Die Geschworenen befanden, dass das Ackergift ein “wesentlicher Faktor“ für die Krebserkrankung des Klägers Edwin Hardeman gewesen ist. Diese Entscheidung ist wegweisend für viele weitere Schadensersatzverfahren und sie erhöht den Druck auf die CDU-Politikerin, endlich glyphosathaltige Ackergifte in Deutschland zu verbieten.

Bayer und seine US-Tochter Monsanto hatten in dem Prozess in San Francisco eigentlich beste Bedingungen. Sie erreichten, dass die Geschworenen sich nicht auf das wichtigste Argument der Glyphosat-Gegner beziehen durften: das Gutachten, in dem die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (IARC) den Wirkstoff als „wahrscheinlich krebserregend“ einstuft. Stattdessen ordnete der Vorsitzende Richter an, dass die Jury sich nur auf oft schwierig interpretierbare Primärstudien und die Aussagen von Experten in dem Verfahren stützen durfte.

Den Anwälten des Klägers verbot der Richter zudem, schon im ersten Teil des Prozesses auf die Frage einzugehen, ob Monsanto selbst von einer Gefahr ausging und ob das Unternehmen das vertuschte. Das legen zum Beispiel beschlagnahmte unternehmensinterne E-Mails nahe.

Beide Verfahrenstricks begünstigten Monsanto/Bayer – um so durchschlagender ist jetzt die Niederlage des Konzerns.

Für Agrarministerin Klöckner sollte die Konsequenz sein, glyphosathaltige Pestizide in Deutschland so weit wie möglich aus dem Verkehr zu ziehen. Zwar hat die EU-Chemikalienbehörde den Wirkstoff für nicht krebserregend erklärt. Aber diese Einschätzung beruht vor allem auf Studien, die Monsanto selbst in Auftrag gegeben hat und die lange geheimgehalten wurden. Die wichtigste Zuarbeit hatte das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung geliefert, das ganze Passagen wortwörtlich aus dem Zulassungsantrag des Konzerns übernahm. Die Krebsforschungsagentur IARC dagegen ist unabhängig von der Industrie und wertete nur Studien aus, die allgemein zugänglich waren.

Doch statt diese Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen, hat eine Klöckner unterstellte Behörde gerade wieder ein Pestizid mit Glyphosat erlaubt. Keine einzige Zulassung eines Mittels mit dem Wirkstoff hat die Ministerin bisher entziehen lassen. Laut Koalitionsvertrag wollen Union und SPD zwar die Anwendung des Wirkstoffs so schnell wie möglich „grundsätzlich“ beenden. Aber dieses Versprechen hat Klöckner bislang nicht einmal ansatzweise eingelöst. Angesichts der Gerichtsentscheidungen in den USA wirkt die Politik der Ministerin immer unverantwortlicher.

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Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.

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