Kommentar Schutzhülle in Tschernobyl: Aus Schaden wird nicht jeder klug

Gut, dass es eine neue Schutzhülle für Tschernobyl gibt. Schlecht nur, dass die Gefahren der Atomkraft noch immer vielerorts ignoriert werden.

Frontalansicht der neuen Schutzhülle

Die neue Schutzhülle für die Atomruine Tschernobyl Foto: dpa

Natürlich ist es zunächst eine gute Nachricht, dass die Atomruine in Tschernobyl in Zukunft besser geschützt ist. Die neue stählerne Hülle verhindert die Freisetzung von radioaktivem Material und schafft die Voraussetzung für die Demontage des alten Beton-Sarkophags und des havarierten Reaktors. Dass die Weltgemeinschaft mit viel Geld, Expertise und politischem Druck für die Fertigstellung des gewaltigen Bauwerks gesorgt hat, war darum absolut richtig.

Zugleich erinnert der lange Kampf um die neue Schutzhülle aber auch daran, was energiepolitisch bis heute falsch läuft. Es brauchte eine internationale Kooperation, um mehr als 30 Jahre nach dem Super-GAU für über zwei Milliarden Euro einen provisorischen Schutz vor der strahlenden Gefahr zu schaffen. Eine dauerhafte Lösung ist weiter nicht in Sicht.

Das zeigt, wie unbeherrschbar die Atomkraft bis heute ist. Doch die richtigen Konsequenzen wurden daraus nicht überall gezogen. Selbst in der Ukraine, die bis heute unter den Folgen der Katastrophe leidet, ist man nicht aus Schaden klug geworden, sondern setzt noch immer auf die gefährliche Technik.

Die EU sollte im Gegenzug für die weiterhin notwendige Unterstützung zur Bewältigung der Tschernobyl-Folgen darauf dringen, dass die noch laufenden Reaktoren keine Laufzeitverlängerung bekommen, sondern endlich abgeschaltet werden.

Und auch andere Staaten haben aus den riesigen Problemen in der Ukraine nichts gelernt. Dabei ist völlig klar: Wenn ein europäisches Land mit den Folgen einer Reaktorkatastrophe dermaßen überfordert ist, wäre es anderswo mindestens genauso dramatisch.

Doch auch wenn die Gefahren der Atomkraft noch immer vielerorts ignoriert werden, sind ihre Zukunftsaussichten schlecht. Denn angesichts der sinkenden Kosten erneuerbarer Energien sind neue AKWs schlicht nicht mehr wirtschaftlich. Weitere Schutzhüllen bleiben der Welt darum hoffentlich erspart.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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