Kommentar Syrien: Die Schlacht um Damaskus

Damaskus und Aleppo sind jetzt Teil des Kampfs um die Macht in Syrien. Je länger die Kämpfe andauern, desto näher rückt der Fall des Assad-Clans.

Der Vergleich drängt sich auf. Und er ist durchaus plausibel. Vor 50 Jahren tobte die Schlacht um Algier, die mit der Befreiung des Landes von der französischen Kolonialmacht endete. Der gleichnamige Film ist ebenso legendär wie die Schlacht selbst. In diesen Tagen nun hat die Schlacht um Damaskus begonnen. Und auch diese Schlacht wird wieder Geschichte schreiben.

Vor Tagen noch hat niemand erwartet, dass es den bewaffneten Rebellen gelingen würde, die Kämpfe ins Zentrum der Macht zu tragen. Doch mit dem Bombenanschlag auf die Führungsspitze des Regimes, dem sogar der Schwager von Baschar al-Assad zum Opfer gefallen ist, ist der Opposition ein spektakulärer Schlag gelungen.

Seit vier Tagen tobt jetzt mitten in Damaskus ein Aufstand, der das Regime offensichtlich völlig überrascht hat. An der überlegenen Feuerkraft der Regierungstruppen, die über Artillerie und Kampfhubschrauber verfügen, gibt es derzeit noch keinen Zweifel.

Doch waffentechnische Überlegenheit allein reicht nicht mehr aus, wie der Sprengstoffanschlag auf den innersten Machtzirkel belegt. Zwar verfügen die Rebellen nur über leichte Waffen, doch haben sie das Moment der Überraschung und die überlegene Moral auf ihrer Seite. Im Straßen- und Häuserkampf ist dies ein echtes Plus.

Der Coup der Rebellen spricht sehr dafür, dass das Regime dem Zusammenbruch näher ist, als es bisher den Anschein hatte. Damaskus und Aleppo sind jetzt Teil des Kampfs um die Macht in Syrien. Von Normalität kann in der Hauptstadt keine Rede mehr sein. Sie ist Kriegsgebiet.

Zu Wochenbeginn titelte die Regierungszeitung al-Watan siegesgewiss „Damaskus bekommt ihr nie“. Diese Art propagandistischer Zuversicht ist in ihren Grundfesten erschüttert. Je länger die Kämpfe in Damaskus andauern, desto näher rückt der Fall des Assad-Clans.

Im Fastenmonat Ramadan, der an diesem Wochenende beginnt, gilt die Opferbereitschaft der Muslime als besonders ausgeprägt. Darauf setzt die Opposition. Eine Lösung unter internationaler Vermittlung ist damit in weite Ferne gerückt. Die „Operation Vulkan“ hat in Damaskus mit einem Paukenschlag begonnen. Sie könnte in ganz Syrien das vorhergesagte „Erdbeben“ auslösen, das in absehbarer Zeit zum Sturz des Regimes führt. Der Bürgerkrieg ist in vollem Gange. Er wird noch einen hohen Blutzoll fordern. Aber die Tages des Regimes sind gezählt.

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61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

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