Kommentar Terror in Russland: Die Stunde der Hardliner

Die Anschläge belasten das ohnehin angespannte Verhältnis von Russen und Kaukasiern. Nur eine Förderung der Region kann Frieden bringen.

Der Gouverneur von Wolgograd erwägt den Einsatz von Bürgerwehren. Bild: Imago/ITAR-TASS

Nach den Anschlägen von Wolgograd, dem 33. Terroranschlag in Südrussland seit Februar 2013, ist die Bevölkerung der Stadt in Panik. Man geht lieber zu Fuß zur Arbeit als sich in einem Bus einer Gefahr auszusetzen. Die Anschläge werfen erneut ein Schlaglicht auf den Nordkaukasus, mit 600 Getöteten in den ersten neun Monaten des Jahres Europas blutigste Region. Dabei dürfte der Umstand, dass eine Terroristin von Wolgograd offensichtlich aus dem nordkaukasischen Dagestan stammt, das ohnehin angespannte Verhältnis von Russen und Kaukasiern weiter belasten.

Die Terroristin, die angeblich verdächtig ausgesehen haben soll, hat dem friedlichen Zusammenleben von Muslimen und den zahlreichen anderen in Russland lebenden religiösen wie nichtreligiösen Minderheiten einen Bärendienst erwiesen. Schlechte Zeiten für alle, die irgendwie verdächtig aussehen.

Nun ist die Stunde der Hardliner gekommen. Wladimir Schirinowskis Liberaldemokratische Partei fordert, den Bewohnern von Wolgograd das Tragen von verdächtiger Kleidung zu verbieten. Der Gouverneur von Wolgograd erwägt den Einsatz von Bürgerwehren. Im Zentrum der Stadt versammelten sich russische Nationalisten. Tschetscheniens Diktator Ramsan Kadyrow fordert ein rücksichtsloses Vorgehen gegen Terroristen und deren Sympathisanten. Er verlangt ein Verbot aller radikalen Gruppen.

Doch wie den Terrorismus wirksam bekämpfen? Dagestans neuer Präsident Ramasan Abdulatipow fährt mit seiner Null-Toleranz-Politik gegenüber Islamisten und dem Einstellen jeglichen Dialogs eine Linie, die bald in ganz Russland Schule machen könnte.

Nur nachhaltiger Frieden

Spätestens nach den Olympischen Spiele in Sotschi wird sich zeigen, ob Russlands Führung bei der Bekämpfung des Terrorismus sich am rücksichtslosen Weg von Ramasan Abdulatipow und Ramsan Kadyrow oder dem auf Dialog beruhenden Vorgehen des inguschetischen Präsidenten Junus-bek Jewkurow orientieren wird.

Nur ein nachhaltiger Frieden im Nordkaukasus und eine Förderung der Wirtschaft in der Region können Russlands Terrorismus den Boden entziehen. Mit groß angelegten Aktionen Tausender Sicherheitskräfte ist Russlands Terroristen, die in den letzten Jahren dazu übergegangen sind, nur noch in sehr kleinen Gruppen zu operieren, nicht beizukommen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.