Kommentar US-Äußerungen zu Syrien: Stümperhaftes Dahergerede

Russland nimmt John Kerrys Vorschlag, Syrien solle seine Chemiewaffen abgeben, ernst. Es wäre ein Treppenwitz, wenn daraus noch eine Chance würde.

Sollte in seiner Position vielleicht eher nicht plappern: US-Außenminister Kerry. Bild: reuters

Die Irrungen der Syrienpolitik dieser US-Regierung sind außenpolitischer Slapstick – allerdings bringen sie niemanden zum lachen.

Präsident Barack Obama hat es geschafft, sich erst durch das Verkünden „roter Linien“ in Zugzwang zu bringen, dann durch die Ankündigung, den Kongress um Autorisierung zu bitten, seine innenpolitische Handlungsfähigkeit für den Rest seiner Amtszeit aufs Spiel zu setzen. Schließlich hat er binnen einer Woche mehrfach die Kriegsziele verändert, je nachdem, welche Öffentlichkeit gerade beeinflusst werden soll. Außenminister John Kerry spricht sieben Tage lang von „über jeden Zweifel erhabenen“ Beweisen dafür, dass Assads Regime am 21. August Giftgas eingesetzt hat – nur damit am Sonntag Obamas Stabschef Denis McDonough in gleich fünf TV-Talkrunden das Gegenteil erklärt.

Und am Montag kommt dann auch noch sein Außenminister John Kerry daher, antwortet auf die Frage eines Journalisten in London, ob denn die Assad-Regierung noch etwas tun kann, um einen Angriff zu verhindern, ja klar, sie könne innerhalb einer Woche alle Chemiewaffen abgeben.

Alle fingen an zu rechnen. Sollte der US-Kongress wirklich schon in einer Woche abgestimmt haben? Und was, wenn die Parlamentarier Nein sagen? Als die Nachrichtenagenturen dann Eilmeldungen verfassten, die USA stellten Syrien ein Ultimatum, ruderte das State Department zurück: Kerry habe das nur so dahingesagt. Prompt hat Russland den Vorschlag sofort ernst- und aufgenommen und Syrien aufgefordert, seine Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen. Damit zeigt sich die russische Seite plötzlich konstruktiver als die US-amerikanische – ein weiteres Desaster für Washington.

Es wäre ein Treppenwitz, wenn aus Kerrys losem Mundwerk mit russischer Unterstützung noch eine Chance würde: Man stelle sich vor, die syrische Regierung würde tatsächlich mit der Mitteilung bei der UN vorstellig, man habe da ein paar Tonnen, wollte das ja eh nie einsetzen und habe es auch nicht und die Uno könne kommen und alles abholen. Obama hätte erreicht, was er vorgibt erreichen zu wollen und stünde dennoch da wie ein Trottel. Jegliche Angriffsbegründung bräche in sich zusammen und tatsächlich wäre geschafft, was ein Militärschlag nicht erreichen kann: Ein bisschen mehr Schutz für die Bevölkerung. Ein schönes Szenario. Wohl zu schön.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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