Kommentar Ukraine-Gespräche: Frech kommt weiter

Nur Russland hat für das Krisentreffen in Genf eine Agenda. Die West-Mächte taktieren. Der hilfsloseste Gesprächsteilnehmer ist die Ukraine.

Donezk, Anfang April: Der Russe Alexander Besputin prügelt auf den Ukrainer Taras Golovaschenko ein. Der Ringrichter leidet im Hintergrund still mit, kann aber nicht eingreifen. Bild: ap

Der Reflex sagt: Gut, dass sich die Außenminister der Ukraine, Russlands, der USA und der EU am Gründonnerstag in Genf treffen. Es gibt eine Krise, also muss gesprochen werden. Nur: Weder finden die Gespräche auf Augenhöhe statt noch ist absehbar, was dabei auch nur theoretisch herauskommen könnte.

Während eine der vier Parteien, nämlich Russland, ihre Agenda einigermaßen klar zu haben scheint, wissen die anderen drei nicht, was sie tun sollen. Auch wenn die Nato am Mittwoch eine Stärkung der militärischen Präsenz an ihren Ostgrenzen ankündigte, um wenigstens so zu tun, als verhandelten EU und USA aus einer starken Position heraus: Keine westliche Regierung ist bereit, wegen der Krim oder der Ostukraine einen Krieg zu führen. Und die Bevölkerungen sind allemal dagegen.

Unterdessen demonstriert Russland mit der Präsenz von 40.000 Soldaten an den Grenzen zur Ukraine eine unverhohlene Bereitschaft zum Einsatz militärischer Gewalt – verbrämt als Schutz der russischen Minderheitsbevölkerung, die angeblich ständig angegriffen werde. Das ist zwar blanker Unsinn, berichten gerade aus der Ostukraine zurückgekehrte UN-Missionen. Doch in Russland wird es geglaubt, und das reicht Putin.

Der Gesprächsteilnehmer von der traurigsten Gestalt ist die ukrainische Regierung. Sie dürfte gar nicht so heißen: Sie regiert ja nichts. Ihr Sicherheitsapparat funktioniert nicht, ihr Militär ist pleite und unzuverlässig, ihr Geheimdienst steht loyaler zu Moskau als zu Kiew, ihr Führungspersonal ist überfordert. Damit bleibt ihre wichtigste Funktion, die Wahl am 25. Mai zu organisieren.

Nichts zu sagen

Doch eskaliert die Lage weiter, wird selbst das nicht klappen. Unterm Strich bedeutet das: Die Einzigen, die in Genf nichts zu sagen haben, sind die Ukrainer selbst. Das passt zu der Folie, auf der im Westen, insbesondere in Deutschland, die Krise in der Ukraine zumeist debattiert wird.

Allzu selten kommen bei den „Kriegstreibern“ oder „Putinverstehern“ die Menschen in der Ukraine als Subjekte vor. Und so überrascht es nicht, dass der Westen sich über kurz oder lang mit der vergrößerten russischen Einflusszone abfinden wird. „Frech kommt weiter“, heißt es im Sprichwort – und Putin zeigt erneut, dass es kein Exklusivrecht der USA ist, nach dieser Devise auch zu handeln.

Die Gespräche in Genf werden daran wenig ändern. Sie jetzt überzubewerten ist einfach hilflos.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

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