Kommentar Verfassungsschutz: Ein Fall für Bürgerrechtler

Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der geplanten Verschärfung ist es in der Politik bisher erstaunlich ruhig. Die Opposition taucht ab, die FDP schweigt.

Die Änderung klingt minimal, die Auswirkungen wären es nicht. Versteckt im umfangreichen Jahressteuergesetz und unter dem Vorwand, die Finanzbehörden zu entlasten, will die Regierung die Macht des Verfassungsschutzes gegenüber politischen Verbänden gewaltig ausweiten: Eine Einstufung als extremistisch soll künftig ohne weitere Prüfung zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen, was wegen des Wegfalls der steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden und Mitgliedsbeiträgen die betroffenen Organisationen existenziell bedrohen kann.

Ausgerechnet in Zeiten, da die Verfassungsschützer wegen ihres Versagens beim Nazi-Terror massiv in der Kritik stehen, würde ihre Rolle aufgewertet: Die Berichte der Behörden, deren Zustandekommen öffentlich kaum überprüft werden kann, würden künftig nicht nur als Entscheidungsgrundlage dienen, sondern unmittelbare rechtliche Folgen haben.

Und auch wenn aktuell wohl nur wenige Organisationen von der Änderung betroffen wären: Das könnte sich ändern. Der Verdacht, dass über eine Nennung im Verfassungsschutzbericht Organisationen gezielt finanziell geschädigt werden sollen, würde in Zukunft immer mitschwingen und die Vorbehalte gegen den Geheimdienst weiter steigern.

Angesichts der grundsätzlichen Bedeutung der geplanten Verschärfung ist es in der Politik bisher erstaunlich ruhig. Die Opposition, die einer ersten Einschränkung der Gemeinnützigkeit vor drei Jahren noch zustimmte, sieht die nun geplante Verschärfung zwar kritisch; die Regierungskoaliton aber taucht ab: Das Justizministerium, das sich sonst gern als Verteidiger der Freiheitsrechte sieht, lehnt einen Kommentar zu den Plänen des Finanzministeriums bisher ab. Auch die FDP-Fraktion schweigt. Wenn es dort noch Bürgerrechtler gibt, die eine Machtausweitung des Verfassungsschutzes kritisch sehen, sollten sie allmählich aufwachen.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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