Kommentar Vorgehen gegen AfD-Beamte: Gesinnung ist nicht kontrollierbar

Es bringt nichts, Beamte mit AfD-Mitgliedschaft unter Generalverdacht zu stellen. Mit einem „Berufsverbot“ täte man den Rechten einen Gefallen.

Eine Gruppe Polizisten rennt durch eine Stadt

Man muss sie daran messen, wie sie handeln: Auch im Polizeidienst könnten Beamte mit AfD-Parteibuch sein Foto: imago-images/Paul Sander

Auch wenn es verlockend einfach erscheint: Dienstrechtliche Konsequenzen für alle Beamten mit AfD-Mitgliedschaft sind nicht das Mittel der Wahl im notwendigen Kampf gegen rechte Umtriebe. Dass das Innenministerium nun von einer entsprechenden Überlegung Abstand nimmt, ist deshalb richtig.

Zum einen muss man sich fragen: Was, wenn es andersherum wäre? Beziehungsweise war es das ja schon: Das, was in den Jahren nach 1972 praktiziert wurde, ist für Linke noch heute traumatisch, nicht zuletzt, weil die Rehabilitierung der vom Radikalenerlass Betroffenen erst vor wenigen Jahren begonnen wurde. Demokrat*innen, die sich zu Recht darüber empören, genau wie über Erdoğans „Säuberungen“ des türkischen Staatsapparats, können nicht ernsthaft Berufsverbote für AfDler fordern. Zumal es immer noch um die Mitgliedschaft in einer Partei geht, die – Stand jetzt – weder verboten ist noch vom Verfassungsschutz beobachtet wird, sondern im Bundestag sitzt.

So wütend Letzteres macht: Pauschale Gesinnungskontrolle ist moralisch kaum zu rechtfertigen. Der Idee von Berufsverboten liegt zudem der Irrtum zugrunde, dass sich Gesinnung überhaupt kontrollieren ließe. Sympathie für die AfD und deren rassistische und demokratiefeindliche Programmatik äußert sich ja auch längst nicht nur durch ein Parteibuch.

Natürlich würden auch bei einem neuen, auf die AfD zugeschnittenen Radikalen­erlass weiterhin Leute in Behörden, Gerichten und Schulen sitzen, die rechtes Gedankengut teilen (während die anderen, die mit Parteibuch, eine nie da gewesene Klagewelle losträten und in den Verhandlungspausen fleißig am Opfermythos häkelten oder sich gar noch stärker radikalisierten). Das lässt sich nicht verhindern. Dass diese Leute ihr Amt durch politische Einflussnahme missbrauchen, dagegen schon.

Umso dringender muss das Innenministerium seine Ankündigung einlösen, mehr Augenmerk auf das „konkrete Verhalten“ der Beamten zu legen. Da gibt es ja durchaus einiges nachzuholen: Ein Thüringer Staatsanwalt, der kein AfD-Mitglied ist, etwa konnte jahrelang von rechter Gesinnung offenbar deutlich eingefärbte Arbeit betreiben. Erst als kürzlich herauskam, dass er seit 16 Monaten überaus fantasievoll versucht hatte, das „Zentrum für Politische Schönheit“ wegen dessen Anti-Höcke-Aktion zu kriminalisieren, wurde er teilweise von seinen Aufgaben entbunden (und die Ermittlungen eingestellt).

„Berufsverbot“ ist übrigens ein gern genutztes Wort im AfD-Vokabular. Politisch unliebsame Entscheidungsträger*innen kaltzustellen ist der Rechten größter Traum. Er sollte es auch bleiben.

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ist freie Korrespondentin in den USA und war bis Anfang 2020 taz-Redakteurin im Ressort Meinung+Diskussion. Davor: Deutsche Journalistenschule, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, Literatur- und Politikstudium in Bamberg, Paris und Berlin, längerer Aufenthalt in Istanbul.

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