Kommentar Zwangsräumungen Spanien: Es wird weiter geräumt

Der spanische Regierungschef Rajoy hat ein neues Hypothekengesetz durchs Parlament gebracht. Das ignoriert ein Volksbegehren.

Emilia Montoya Vazquez hat gerade erfahren, dass sie ihre Wohnung verlassen muss. Bild: reuters

Spaniens Konservative machten die Hoffnung zunichte. Im Alleingang brachte die Volkspartei (PP) von Regierungschef Mariano Rajoy eine Reform des Hypothekengesetzes durchs Parlament. Die wichtigsten Forderungen der Initiativen der von Zwangsräumungen Betroffenen und des von ihnen beim Parlament eingereichte Volksbegehren wurden dabei allerdings außer acht gelassen.

Ganz oben stand die Forderung nach Schuldenerlass für diejenigen, die ihre Wohnung verlieren. Dies wird es auch künftig nicht geben. Die Menschen, die auf die Straße gesetzt werden, weil sie drei oder mehr Monatsraten im Rückstand sind, werden weiterhin ein Leben lang Restschulden von bis zu 60 Prozent des Kaufpreises der verlorenen Wohnung abbezahlen müssen.

1,4 Millionen Bürger haben das Volksbegehren unterschrieben, mehr als zwei Drittel der Bevölkerung unterstützen den Schuldenerlass in Umfragen, doch das Wort der Banken hat bei der konservativen Regierung in Madrid mehr Gewicht.

Dabei ist die Lage dramatisch: Seit dem Beginn der Krise 2008 haben mehr als vier Millionen Spanier ihren Job verloren. 26 Prozent sind ohne Arbeit. Viele bekommen schon lange keine Stütze mehr. Die von Europa auferlegte drakonische Sparpolitik verstärkt die Rezession noch. Bis zum Jahresende werden weitere Hunderttausende ihre Arbeit verlieren. 400.000 Zwangsräumungsverfahren zählt die spanische Justiz mittlerweile. Im letzten Jahr waren es 500 pro Tag – Tendenz steigend.

Gleichzeitig wurden rund 150 Milliarden Euro öffentlicher Gelder und Anleihen in marode Banken und Sparkassen gepumpt. Geht es um die Bevölkerung, fehlt das Geld. Vor allem fehlt der politische Wille. Was sich in Spanien abspielt, ist symptomatisch für die Euro-Krise und die Lösungsvorschläge aus Brüssel und Berlin. Die Menschen zahlen weiter für die Spekulationsorgien der Banken. Die Zwangsgeräumten und die Anleger mit den Sparguthaben, das nicht nur in Zypern, sondern auch in Spanien zur Sanierung der Finanzinstitute herangezogen wird.

Dabei wäre die Lösung so einfach: Würde den Familien geholfen, würden sie nicht zahlungsunfähig. Das wiederum würde den Banken und Sparkassen zu Gute kommen. Die Bankenhilfe nützt jedoch nur den Banken.

Das mag naiv klingen in dieser von Merkel, der Deutschen Bank und dem Internationalen Währungsfond geführten und von den Ratingagenturen benoteten Europa. Doch sind es einfache Überlegungen wie diese, die deutlich machen, wie weit wir uns im Namen der einheitlichen Währung von den bei Festakten so gerne gepriesenen Grundpfeilern dieser Europäischen Union wie Solidarität, sozialer Gerechtigkeit und Demokratie entfernt haben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.