Kommentar deutsche Universitäten: Der ewige Bildungstrichter

Die deutsche Bildungspolitik gibt nur halbherzige Antworten auf alte Probleme: Wer mehr Junge an die Universitäten locken will, muss die Schulen reformieren.

Seit Jahren hat sich die deutsche Bildungspolitik das Ziel gesetzt, mehr Studierende an die Unis zu holen. Vierzig Prozent eines Jahrgangs sollen studieren, doch diese selbstgesetzte Marke wird nicht annähernd erreicht. Deutschland dümpelt knapp über der 35-Prozent-Hürde. Die "Eurostudent"-Erhebung aus 23 europäischen Ländern zeigt deutlich, woran es hierzulande hakt: Kinder, deren Papas oder Mamas nicht Akademiker sind, schaffen es so gut wie gar nicht an die Hochschulen.

Das Problem ist zwar bekannt. Doch Bund und Länder suchen nur halbherzig nach Lösungen, wie etwa die jüngste Initiative von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) beweist. Ganzen 3.000 hochbegabten Berufstätigen ohne Abitur will sie mit Aufstiegsstipendien einen Weg an die Unis ermöglichen. Es ist dies nicht der einzige gut gemeinte, aber viel zu kleinliche Schritt der Politik. Ein weiteres Beispiel: Die Zahl der Stipendien der elf Begabtenförderungswerke wurde erhöht. Nun werden 17.400 Studierende von rund zwei Millionen Studierenden insgesamt gefördert.

Das ist natürlich nicht falsch, bleibt aber Kosmetik, die von der eigentlichen Ursache des Studierendenmangels ablenkt. Denn wer will, dass mehr Kinder aus sozial schwachen Familien studieren, muss früher ansetzen - und vor allem die Schulen reformieren. Der viel zitierte Bildungstrichter greift in Deutschland zum ersten Mal, wenn die Kinder zehn Jahre alt sind. Immer noch sieben die meisten Bundesländer ihre Schüler nach der vierten Klasse aus - die sogenannten bildungsfernen Schichten bleiben zurück. Und das stärker als in anderen Ländern, wie die OECD erst vor kurzem wieder beklagt hat. Beim Übergang zur Universität setzt der Trichter dann ein zweites Mal an - und wieder bleiben die Bildungsfernen zurück.

Wer also will, dass die Unis sozial gerechter werden, darf zu den Schulen nicht schweigen. Denn auch das zeigt die Eurostudent-Erhebung: Dort, wo die Kinder in der Schule länger gemeinsam lernen - Finnland oder Schweden - ist auch die soziale Zusammensetzung an den Hochschulen gerechter. Alles nur Zufall? Wohl kaum.

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Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.

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