Kommentar gescheiterter Ukraine-Gipfel: Krieg als Ablenkung

Die Gründe für die Absage der Friedensgespräche werden wir wohl kaum erfahren. Es gibt starke Kräfte, die an einem Frieden nicht interessiert sind.

Frieden nicht in Sicht: Prorussische Aufständische bewachen eine Straße zum Flughafen von Donezk im Osten der Ukraine. Bild: ap

Friedensgespräche sind in Zeiten eines Krieges bitter nötig. Es ist nicht ihre Aufgabe, festzustellen, wer im Recht ist. Es ist auch nicht ihre Aufgabe herauszufinden, wie man in eine kriegerische Situation gekommen ist. Einzig entscheidend ist die Frage, wie man aus dieser kriegerischen Auseinandersetzung wieder herauskommt.

Friedensgespräche müssen alle einbeziehen, die in den Konflikt verwickelt sind. Deswegen müssen die Separatisten mit am Verhandlungstisch sitzen. Wer Friedensgespräche abbricht, weil geschossen wird und Vereinbarungen nicht eingehalten werden, handelt wie ein Arzt, der einen Patienten nicht behandelt, weil dieser krank ist.

Die wirklichen Gründe der Absage der Friedensgespräche durch Deutschland, Frankreich und die Konfliktparteien Ukraine und Russland werden wir wohl kaum erfahren. Offensichtlich gibt es starke Kräfte, die an einem Frieden nicht interessiert sind. Es ist ja auch so praktisch einen Feind zu haben, dem man die ganze Schuld für das eigene Versagen in die Schuhe schieben kann.

Kiews Regierung kann die eigene Bevölkerung, die wütend ist über die jüngsten Sparmaßnahmen, die Kürzungen im Sozialbereich und den sinkenden Wert der ukrainischen Währung nur mit patriotischen Parolen davor abhalten, erneut auf die Straße zu gehen. So lange der russische Feind im eigenen Land ist, ist es nicht patriotisch, gegen die eigene Regierung auf die Straße zu gehen.

Und auch in den aufständischen Gebieten in der Ostukraine steht Frieden nicht an erster Stelle der Tagesordnung. Deren Führung kann die Bevölkerung nicht vor Hunger und Kälte schützen. Gleichzeitig geht sie gnadenlos gegen die vor, die nicht nur von Kiew, sondern auch von Moskau unabhängig sein wollen. Die Führung der Aufständischen ist so ein Nutznießer der aktuellen Eskalation. Solange geschossen wird, wird sie niemand aus dem Sattel holen.

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Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.

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