Kommentar zu Merkels Wahlprogramm: Unseriöse Versprechen

Merkels Wahlprogramm lautet: nur immer weiter so! Ihre Art, Politik zu verwalten, trifft aber auch auf Zustimmung. Dabei wird die große Koalition immer wahrscheinlicher.

Aussichten denkbar nicht so gut. Bild: dpa

Das Regierungsprogramm, mit dem Angela Merkel wieder Kanzlerin werden will, hat 125 Seiten, doch im Grunde geht es um ein einziges Versprechen: Alles bleibt, wie es ist. Damit bedient Merkel in einer Zeit, in der die Eurokrise nur vermeintlich eingeschlafen ist, eine sehr deutsche Befindlichkeit. Hierzulande ist vielen Menschen allzuviel Veränderung sowieso schon suspekt, und das Bedürfnis nach Stetigkeit hat noch zugenommen. Schließlich steht Deutschland ökonomisch sehr gut da, während Nachbarstaaten mit dem Bankrott kämpfen.

Merkel verspricht also Sicherheit. Dazu passt, dass sich Vieles in dem Programm, etwa die Angleichung der Mütterrenten, wie eine herzliche Einladung an die SPD liest, während die FDP kein einziges Mal erwähnt wird. Nun ist Sicherheit auf den ersten Blick ein erfolgsversprechendes Motiv für die ängstlichen Deutschen.

Aber ehrlich oder seriös ist Merkels Wohlfühl-Offensive nicht. Denn die Kümmererin im Kanzleramt täuscht nur vor, sich um alle zu sorgen: Arme Menschen interessieren sie nicht. Niedrigverdiener und Hartz IV-Empfänger kommen nicht in den Genuss der Wohltaten, weil sie von Steuersenkungen und Transfers wie einem höheren Kindergeld nicht profitieren.

Merkel kalkuliert kühl wie immer, indem sie gezielt die Mittelschicht und CDU-affine Milieus adressiert. Sie beschenkt Gruppen, die sie wählen sollen, mit Milliarden, obwohl die das Geld nicht brauchen. Und sie nimmt so dem Staat Möglichkeiten, in bessere Kitas oder Schulen zu investieren, wovon Arme profitieren würden.

Selbst gegenüber dem eigenen Klientel ist Merkel unehrlich. Ihre Wohltaten für die Mitte kosten Milliarden, aber die Kanzlerin sagt nicht, woher das Geld kommen soll. Stattdessen flüchtet sie sich in wolkige Phrasen, um zu verschleiern, dass sie ihre Versprechen nur in Minischrittchen umsetzen wird - wenn überhaupt. Aber solche offensichtlichen Widersprüche tangieren die Union nicht. Sie setzt voll auf die beliebte Kanzlerin. Und hofft, dass Merkel das Kleingedruckte überstrahlt, frei nach dem Motto: Ich bin ihr.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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