Kommentar zum SPD-Umfrageabsturz: Nicht wirklich gerecht

Warum die SPD auch in Berlin so schlecht abschneidet und die Grünen so sehr boomen, ist mit ihrer hiesigen Performance nicht zu erklären.

Michael Müller und seine Berliner SPD müssen in Umfragen viel von der Bundes-SPD ausbaden Foto: dpa

Fünfzehn Prozent. Das war bislang der absolute Tiefpunkt für die die SPD. Schlimmer könne es für einen Landesverband nicht kommen, der vor gut drei Jahren noch fast 30 Prozent in Umfragen bekam, hieß es. Denn, so war die Hoffnung, einen gewissen harten Kern an sozialdemokratischen Wählern gebe es einfach. Warum dieser Kern ausgerechnet 15 Prozent ausmachen soll, war eine andere Frage. Die aber hat sich jetzt sowieso erledigt. Denn in der neuesten Umfrage reißen die Sozis auch diese Marke: Auf gerade mal 14,7 Prozent kommen sie da. Die Grünen hingegen setzen ihren Höhenflug fort: 21 Prozent im Januar, 22 im März, 26 Prozent vergangene Woche und nun 27,8 Prozent.

Man muss die SPD nicht mögen und auch kein Grünen-Gegner sein, um das für etwas ungerecht zu halten und sich zu fragen: Womit hat die SPD das verdient? Was waren denn in den vergangenen Monaten die großen Patzer der SPD und was die Leistungen der Grünen? Beide gab es nicht, im Gegenteil.

Denn eigentlich hätte die SPD punkten müssen. Schließlich kann sie das Urheberrecht am seit Monaten viel diskutierten und im linken Mehrheitsberlin positiv aufgenommenen Mietendeckel für sich beanspruchen. Bei den Grünen hingegen kassierte die zwar parteilose, aber von den Grünen ins Amt gebrachte Verkehrssenatorin Regine Günther immer wieder Kritik, vor allem von Radfahrern. Zuletzt musste sie nach großem Protest bei einer Sperrung an der Oberbaumbrücke zurückrudern. Und der grüne Justizsenator Dirk Behrendt sorgte erst vergangene Woche für einen Eklat, als er zeitweise unentschuldigt bei einer Abgeordnetenhaussitzung fehlte.

Das aber scheint nicht zu zählen und lässt leider nur einen eher traurigen Schluss zu: Die Befragten unterscheiden offenbar viel zu wenig zwischen Bundes- und Landespolitik und der konkreten Arbeit der jeweiligen Partei, auch wenn die Frage klar mit „Wenn am nächsten Sonntag Abgeordnetenhauswahl wäre …“ beginnt.

So aber lässt die Selbstzerlegung in der Bundesspitze mit dem Rücktritt von Parteichefin Andrea Nahles als Tiefpunkt auch die Berliner SPD in den Keller gehen. Und das En-vogue-Thema Klimaschutz samt dem Sympathieträger-Duo Habeck/Baerbock bringt auch die Berliner Grünen auf einen Höhenflug. Die Frage ist bloß: Wenn inzwischen bald jeder Dritte in Berlin die für Klimaschutz engagierten Grünen so toll findet, die vor knapp einem Jahr nur auf 15 Prozent kamen – warum sind dann die Flughäfen weiter so voll?

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Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

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