Kommentar zur Berliner Drogenpolitik: Es geht auch ohne Ideologie

Nach zwei Jahren hat Rot-Rot-Grün die Null-Toleranzpolitik von Frank Henkel kassiert. Wird es jetzt wieder schlimmer am Görli?

Bürgermeisterin Monika Herrmann im Gespräch mit einem Anwohner Foto: dpa

Eigentlich hätte die Geschichte des Görlitzer Parks eine Erfolgsgeschichte sein können. Bis in die achtziger Jahre praktisch unzugänglich, wurde das ehemalige Bahnhofsgelände geräumt – und den Anwohnern der dicht bebauten Quartiere an der Wiener und der Görlitzer Straße eine riesige Spielweise geschenkt. Die Freude war groß.

Doch dann kamen die Dealer, und mit ihnen kam die Ideologie. Null Toleranz forderte die CDU, maximale Toleranz verlangte die linke Szene, zu der in Kreuzberg auch viele Grüne gehören. Für sie galt nicht selten die Gleichung: Im Zweifel ist der Dealer eher Opfer als Täter.

Als der damalige Innensenator Frank Henkel (CDU) vor zwei Jahren im Görli schließlich eine Art Sonderrechtszone schaffte und damit auch Kleinkonsumenten kriminalisierte, war die Message an die eigene Wählerschaft klar: Da greift einer durch. Genauso klar war die Haltung auf der Gegenseite: Weg mit der Intoleranz!

Nach zwei Jahren wissen wir: Es war alles gar nicht so schlecht. Aber es war ein ganzes Bündel von Maßnahmen, das gegriffen hat: das Pressing der Polizei, das Vorgehen der Justiz, die Parkwächter des Bezirks. Selbst die Begleitkriminalität ist zurückgegangen. Nicht wenige fühlen sich im Görlitzer Park wieder wohl. Denn im Mittelpunkt stehen die Nutzerinnen und Nutzer des Parks und nicht die Frage, wer nun Täter oder Opfer ist.

Das darf, auch von Rot-Rot-Grün, nicht aufs Spiel gesetzt werden. Sollte die Aufhebung der Nulltoleranzzone auch zum Ende des konzertierten Vor­gehen gegen Dealer und andere Kriminelle führen und die Angst am Görli zurückkehren, wären der neue Innensenator Andreas Geisel (SPD) und der Bezirk gescheitert. So wie die Nulltoleranzzone ein ideologisches Projekt von Henkel war, wäre ihre Aufhebung ein ebenso symbolischer Akt.

Bleibt es dagegen beim Pressing durch alle Akteure, kann die Geschichte des Görli am Ende doch noch erfolgreich sein. Und was ist schon gegen einen Joint zum Sonnenuntergang in diesem Mini Central Park Berlins einzuwenden?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.